Volume 53, Issue 4 pp. 202-203
Editorial
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Technologien zum Klimaschutz statt „Kohle – Nein, danke“

First published: 05 August 2019
Citations: 1

Die Bemühungen, in Deutschland den Eintrag von Abgasen – hauptsächlich des „Treibhausgases“ CO2 von Kraftwerken, Zementfabriken, Hüttenwerken sowie CO2, NOX, Kohlenwasserstoffen und Feinstaub von Kraftfahrzeugen – deutlich zu senken, um negative Folgen für das Klima und Gesundheitsschäden für den Menschen zu vermeiden, sind sicher richtig. Deutschland sollte hier Vorbild sein! Nicht übersehen sollte man jedoch, dass der Anteil der Bundesrepublik an den weltweiten Emissionen an CO2, dessen Gehalt in der Atmosphäre ca. 0,04 % beträgt, bei nur ca. bei 2 % liegt.

Eine besondere Bedeutung zur Nutzung von CO2 hat die Methanol-Ökonomie

Wichtiger als die Minderung des „Klimakillers“ CO2 bei uns, die weltweit kaum ins Gewicht fällt, ist nach meiner Meinung, dass Wissenschaft und Industrie in Deutschland Vorreiter sind bei der Entwicklung von Technologien zur Vermeidung von CO2 und dessen Nutzung als Rohstoff sowie zur Minderung beziehungsweise Vermeidung von Autoabgasen. Hier hat Deutschland eine besondere Verantwortung und ethische Pflicht, da deutsche Naturwissenschaftler und Ingenieure sowie die heimische Industrie Pioniere unter anderem bei der Entwicklung von Kohlekraftwerken, Hüttenbetrieben sowie Automobilen mit Verbrennungsmotoren waren, die allesamt CO2 Produzenten sind.

Eine besondere Bedeutung zur Nutzung von CO2 hat die Methanol-Technologie und Methanol-Ökonomie, die auf Friedrich Asinger, RWTH Aachen, zurückgeht (1). Ein engagierter Verfechter dieser Technologie ist Franz Josef Radermacher (Club of Rome, Global-Marshall Plan-Initiative, Buchautor), der sich am Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Ulm mit Technikfolgenforschung auch mit Bezug auf globale Problemstellungen beschätigt (2).

Die Arbeiten zur Nutzung des Abgases CO2 zur Gewinnung von Methanol werden von der EU und der Bundesrepublik stark gefördert. Methanol ist ein sehr guter Energie- und Chemierohstoff, der auch direkt in Verbrennungsmotoren und für Brennstoffzellen genutzt werden kann. Methanol ist außerdem ein sehr gutes Speichermedium (z. B. für Überschussenergie) und auch ein geeignetes Transportmedium. Die vorhandene Infrastruktur kann genutzt werden. Zwei Beispiele: In China fahren Benziner bereits nur mit Benzin mit mindestens 15 % Methanolbeimischung. Eines der größten Fährschiffe der Welt, die „Germanica“ der Stena Lines, Göteborg – 240 Meter lang, mit einer Kapazität für 300 Autos und 1300 Passagiere – wird seit vielen Jahren umweltfreundlich und wirtschaftlich mit Methanol als Treibstoff betrieben.

Im Kohlekraftwerk Lünen der STEAG wurde das Projekt „MefCO2 (Methanol fuel from CO2“) der Projektpartner Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe u. a. und Forschungseinrichtungen aus Europa 2015 gestartet. Es kombiniert die Wesentlichen Schritte der Methanol-Technologie: Das Rauchgas des Braunkohlekraftwerkes Niederaußem wird mit Wasserstoff – gewonnen mit Strom aus dem Kraftwerk – zur Methanol-Synthese genutzt.

Nachdem das Kraftwerk Lünen im März 2019 vom Netz gehen musste, wird das mit 8,6 Millionen Euro geförderte Projekt am RWE-Forschungsstandort Niederaußem (in der Kölner Bucht im Rheinischen Braunkohlerevier nahe Bergheim) von einem Konsortium mit 9 Partnern aus 7 Nationen (6), darunter die RWE Power AG und die Universität Duisburg-Essen fortgeführt.

Nachdenken kann man auch, wo das CO2 sonst noch herkommen kann. Im September 2018 wurde dazu eine erste Pilotanlage zur Methanolproduktion aus Hüttenabgasen des Stahlwerks von Thyssenkrupp im Technikum in Duisburg in Betrieb genommen. Das Bundesforschungsministerium fördert das Großprojekt Carbon2Chem (7) mit rund 60 Millionen Euro. Carbon2Chem ist ein von Thyssenkrupp, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft koordiniertes Projekt mit weiteren Partnern aus Forschung und Industrie. Carbon2Chem beinhaltet eine branchenübergreifende Zusammenarbeit aus Stahlherstellung, Stromerzeugung und Chemieproduktion.

Diese Technogien könnten auch der „Königsweg“ sein, um Kohlekraftwerke auf Basis heimischer Braunkohle als „grüne“ Kraftwerke längerfristig weiter zu betreiben oder sogar neue Kohlekraftwerke zu bauen, z. B. in sonnenreichen Gebieten. Die Parole „Kohle – Nein, Danke“ wird ad absurdum geführt und der Weg in die Sackgasse der großen Abhängigkeit bei Energierohstoffen (Atomstrom aus Frankreich und Polen, „Putin“-Gas und Öl der Scheichs) wird vermieden.

Interessant ist auch die Kombination von klassischer Methanol-Technologie mit der Oxyfuel-Technologie, die von der Vattenfall AG stammt: Oxyfuel ist die Verbrennung von Kohle mit Sauerstoff, dem Koppelprodukt der Wasserelektrolyse, zu reinem CO2. Bei der Nutzung des Abgases CO2 ist das Gemeinschaftsprojekt Carbon2Chem Vorreiter.

Unverständlich ist, dass sich die Chemieindustrie in Deutschland (BASF, Evonik, Clariant, Covertro, …) nicht stärker mit einem solchen Großprojekt beschäftigt, sondern sich auf vielfältige Teilaufgaben beschränkt.

Gut wäre es, wenn die Aktionen der „Freitagsdemonstrationen“ der Jugend weniger auf „Kohle – Nein, Danke“ abzielten, sondern Druck machten, dass sich der Staat, die Wissenschaft und die Industrie stärker bei der Erarbeitung optimaler Technologien zum Schutze des Weltklimas einsetzen. Es sollte auch ein Appell sein, Energie und Treibstoffe zu sparen!

Heribert Offermanns

Biography

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    Heribert Offermanns (*1937) studierte Chemie an der RWTH Aachen. Seine Diplom- und Doktorarbeit fertigte er im Arbeitskreis von Friedrich Asinger an. Er trat bei der Degussa AG ein und war Mitarbeiter in der Chemie- und Pharmaforschung, Betriebsleiter in Antwerpen und „Technical Manager“ in New York. Ab 1976 war er als Vorstandsmitglied der Degussa AG fast 25 Jahre überwiegend für Forschung und Technik zuständig. Er hat im Präsidium der Gesellschaft Deutscher Chemiker, im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, als Mitglied des Hochschulrates der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, als Kuratoriumsmitglied der Universität Regensburg und der Paul-Ehrlich-Stiftung und als Vorsitzender des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung, Stuttgart sowie in der Politik ehrenamtlich über Jahrzehnte hinweg gewirkt. Er ist Honorarprofessor der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Dr. Ing. E.h. der RWTH Aachen und Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.

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