Volume 52, Issue 5 p. 275
Editorial
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Wertvolle Rohstoffe

First published: 09 October 2018

Mobiltelefon, Fernseher, Computer, Auto – alltägliche Dinge, über die wir wie selbstverständlich verfügen. Kaum jemandem ist bewusst, welche Vielzahl an Rohstoffen in modernen Geräten verarbeitet sind. Zwar machen immer wieder Schlagworte wie „Urban Mining” oder das „Handy als Mikrobergwerk” auf dieses Thema aufmerksam, für den Durchschnittkonsumenten indes ist eine funktionierende Rohstoffversorgung genauso selbstverständlich wie der Strom, der aus der Steckdose kommt.

Die Sicherung der Rohstoffbasis für die Industrie bedarf zum Teil erheblicher Anstrengungen

Mit dieser Selbstverständlichkeit ist es nicht mehr weit her, wie die Entwicklung der letzten Jahre zeigt. Rohstoffe sind ein wertvolles Gut, auf dessen Handhabe sich Wohlstand und industrielle Produktion gründen. Mittlerweile bedarf die Sicherung der Rohstoffbasis für die heimische Industrie auf einigen Gebieten erheblicher Anstrengungen. Dass es kritische Rohstoffe gibt, ist gemeinhin bekannt. Spätestens als die chinesische Regierung 2010 eine Obergrenze für Seltenerdexporte festlegte, erreichte das Thema auch die breite Öffentlichkeit. Seltene Erden wurden plötzlich synonym für Rohstoffverknappung gebraucht, und die Entwicklung gipfelte 2011 in neuen Höchstpreisen für Rohstoffe. Mittlerweile haben sich die Preisniveaus normalisiert, doch die Nervosität ist geblieben. Nicht zuletzt spielt die Verfügbarkeit von Rohstoffen auch für die Energiewende eine entscheidende Rolle. Die Seltenen Erden Neodym und Dyprosium werden für die Permanentmagneten in Windkraftanlagen benötigt. Das Thema Elektromobilität sieht sich mit dramatisch steigenden Preisen für Lithium und Cobalt konfrontiert. Aber auch unser Alltag wird durch verschiedene Rohstoffe bestimmt: Ohne Indium zum Beispiel wären keine Touch-Screens denkbar, ohne das lebenswichtige Phosphat könnte die Landwirtschaft die wachsende Weltbevölkerung nicht im Ansatz ernähren.

Optimierte Primärrohstoffgewinnung kombiniert mit neuen Recyclingverfahren löst viele Probleme

Ist Recycling die Lösung für diese Fragen? Wohin überhaupt gelangen End-of-Life-Produkte, die kritische Elemente enthalten? Brauchen wir neue Bergwerke? All dies sind wichtige Fragen, die in unserer Zeit kulminiert einer Antwort bedürfen. Dabei ist das Thema so neu nicht. Bereits die Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre hatten den Wirtschaftsnationen ihre Rohstoffabhängigkeit sehr deutlich vor Augen geführt. Und es ist seitdem auch viel passiert. Die deutsche Chemieindustrie nimmt bezüglich Energie- und Ressourceneffizienz Spitzenpositionen ein. Politik und Wirtschaft haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von F & E-Aktivitäten in Gang gesetzt, allen voran die Förderprogramme seitens des BMBF, und das BMWi unterstützt erfolgreich investitionsintensive Ausgründungsvorhaben im Rohstoffsektor mit hohem Fördermittelaufwand. Mit dem in Freiberg entwickelten Konzept der Wertstoffchemie der herkunftsunabhängigen Rohstoffproduktion werden traditionelle Barrieren zwischen Wirtschaftszweigen aufgebrochen und die Ressourceneffizienz noch weiter verbessert. Dennoch, die derzeitige geopolitische Lage, die zum großen Teil von einer wachsenden Weltbevölkerung und dem Wohlstandsstreben in den Schwellenländern gekennzeichnet ist, verschärft die Situation zusehends. Nicht zuletzt beherrscht China die Rohstoffmärkte zu weiten Teilen.

Nachdem die ProcessNet-Fachgruppe „Rohstoffe” 2016 ein vielbeachtetes Positionspapier zu anorganischen Rohstoffen herausgegeben hatte, sollen in diesem Themenheft nun an ausgewählten Beispielen aktuelle Entwicklungen in der Rohstoffchemie exemplarisch dargestellt werden. Die Beiträge machen eines deutlich: Deutschland ist gar kein so rohstoffarmes Land. Zahlreiche neue Verfahren haben in den letzten Jahren ihren Weg von der Hochschule in die industrielle Umsetzung gefunden, und es hat sich gezeigt, dass sich viele Fragestellungen durch eine geschickte Kombination von optimierter Primärrohstoffgewinnung und neuen Recyclingverfahren lösen lassen.

Martin Bertau

    Biography

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      Prof. Dr. Martin Bertau leitet das Institut für Technische Chemie an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Entwicklung integrierter, nachhaltiger Prozesse zur Produktion von Chemie- und Energierohstoffen.

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