Tropfenbewegung und Stofftransport in technischen Flüssig/flüssig-Systemen. Teil 2: Auswirkung von Grenzflächeneffekten und Verunreinigungen
Fluid Dynamics and Mass Transfer in Technical Grade Liquid-Liquid Systems. Part II: Impact of Interfacial Effects and Impurities
Abstract
deFluiddynamik und Stofftransportprozessen kommt bei der Dimensionierung von Flüssig/flüssig-Kontaktapparaten eine entscheidende Bedeutung zu. Die Vorhersage von Betriebsparametern wird durch Schwarm- und Grenzflächeneffekte maßgeblich erschwert. Anhand von Einzeltropfenuntersuchungen kann eine grundlegende Vorhersage für fluiddynamisches Verhalten und Stofftransportleistung auf Basis einfacher Experimente und zahlreicher publizierter Korrelationen und Theorien getroffen werden. Im ersten Teil wurden die Grundlagen zur Beschreibung der Fluiddynamik und des Stofftransports für den Fall unbeeinflusster Grenzflächen erläutert. Hier wird nun ein Überblick über relevante Grenzflächenphänomene und den Einfluss verschiedener Stoffklassen gegeben, die als Begleitkomponenten oder Verunreinigung für technische Systeme üblich sind.
Abstract
enThe design of a liquid/liquid contact apparatus necessitates the knowledge of fluid dynamics and mass transfer in the dispersion. Prediction of process parameters is challenging due to swarm and interfacial effects. Single drop investigations are suitable to enable a sophisticated dimensioning based on few simple experiments combined with published theories and correlations. In the first part of this article, the fundamentals of fluid dynamics and mass transfer in absence of interfacial effects were explained. Here, an overview of relevant interfacial phenomena and the influence of different substances typically occurring in technical applications as impurities or accompanying components is given.
1 Einleitung
Für die Dimensionierung von Flüssig/flüssig-Kontaktapparaten ist die Vorhersage von Fluiddynamik und Stofftransport essenziell. Nur selten finden sich in industriellen Prozessen reine Stoffsysteme 1, 2. Technische Systeme enthalten vielfach Komponenten, die das Verhalten der Phasengrenzfläche und damit wichtige Prozessparameter maßgeblich beeinflussen. Sie können als Verunreinigungen vorliegen, als Neben- oder Folgeprodukt entstehen oder bewusst beispielsweise als Lösevermittler oder zur Prozessintensivierung eingesetzt werden. Selbst in geringen Anteilen können sie einen signifikanten Einfluss auf die Performance des Apparates ausüben 3.
An der Phasengrenzfläche angelagerte Stoffe beeinflussen neben dem Stofftransport ebenso fluiddynamische Aspekte der Auslegung wie den Holdup oder den Flutpunkt, wobei kleinere Tropfen im Größenbereich von ca. 1 bis 3 mm, die aufgrund ihrer großen spezifischen Oberfläche in Extraktionsapparaten angestrebt werden, stärker beeinflusst werden 1.
Die komplexen Wechselwirkungen und potenziellen Überlagerungen verschiedener Effekte erschweren die Beschreibung der Impuls- und Stofftransportvorgänge und damit die Vorhersage essenzieller Betriebsparameter, wodurch in der Regel experimentelle Daten aus dem Technikums- und/oder Pilot-Maßstab für eine zuverlässige Auslegung und Dimensionierung zur Verfügung stehen müssen (u. a. 4). Da zusätzliche Spezies meist in Art und Menge unbekannt sind, werden die Experimente vorzugsweise mit dem Originalstoffsystem durchgeführt und sind meist langwierig und kostspielig 1. Einzeltropfenexperimente sind eine Alternative, um diese Untersuchungen kosteneffizient mit wenig Materialeinsatzes durchzuführen, wodurch sie in einem frühen Stadium einsetzbar sind 1 und sich somit als Schlüsselexperiment für die Charakterisierung eignen. Wie dies im Bereich der Flüssig/flüssig-Extraktion Einsatz findet, wurde bereits im ersten Teil dieses Beitrags 5 kurz beleuchtet. Der Vergleich mit einem synthetischen Stoffsystem ohne Zusatzstoffe kann außerdem Aufschluss über den Einfluss der Verunreinigungen geben.
Während im ersten Teil dieses Artikels 5 die Grundlagen für Fluiddynamik und Stofftransport unbeeinflusster Grenzflächen für die Grenzfälle fluider und starrer Partikel erläutert wurden, gibt der hier vorliegende zweite Teil einen Überblick über relevante Grenzflächenphänomene und den Einfluss verschiedener Stoffklassen, die als Verunreinigung oder Begleitkomponenten auftreten. Die Unterteilung erfolgt dabei einerseits in Komponenten, bei denen die Adsorption an der Phasengrenzfläche maßgeblich ist. Hierzu zählen neben den grenzflächenaktiven Tensiden und Amphiphilen ebenfalls partikuläre Systeme, insbesondere Nanopartikel, sowie Ionen. Ein interessanter Vergleich zwischen Partikeln und Tensiden bzgl. ihres grenzflächenaktiven Verhaltens in Flüssig/flüssig-Systemen ist in Binks 6 zu finden.1) Andererseits werden Komponenten betrachtet, die durch örtliche Konzentrationsunterschiede an der Phasengrenzfläche lokale Grenzflächenspannungsgradienten und dadurch spezielle Grenzflächenphänomene wie den Marangoni-Effekt (s. a. Scriven und Sternling 7) hervorrufen. Neben den Tensiden treten diese Effekte beim Stofftransport diverser Übergangskomponenten auf. Abb. 1 zeigt die grundlegende Struktur dieses Artikels und stellt die betrachteten Phänomene und Referenzfälle strukturiert dar.

Abschn. 2 beleuchtet den Einfluss des fluiddynamischen und physio-chemischen Effekts genauer, der für adsorptionsdominierte Systeme (ADS) typisch ist. Die Adsorption der hier gruppierten Stoffe ändert die Grenzflächenspannung und/oder stabilisiert die Grenzfläche, was maßgeblich die Koaleszenz beeinflusst. Ein verändertes Koaleszenzverhalten soll hier nicht im Fokus stehen, für diesen Zweck sei beispielsweise auf 8-10 verwiesen. Die Anlagerung stellt meist einen zusätzlichen Widerstand dar, was insgesamt den Stofftransport verschlechtert, wie Abb. 2 im Vergleich mit der (idealen) fluiden Partikel illustriert. Des Weiteren werden die Auswirkungen von Marangoni-Instabilitäten (MAK) gezeigt, mit denen in der Regel eine Verbesserung des Stofftransports einhergeht und die in Abschn. 3 detaillierter betrachtet werden.

Eine Übersicht zum Stand des Wissens bezüglich der Transportprozesse in Anwesenheit von Nanopartikeln wird in Abschn. 4 gegeben. Das Auftreten von Ionen beeinflusst hauptsächlich das Koaleszenzverhalten und damit die Tropfengrößenverteilung, was Auswirkungen auf das Schwarmverhalten und die für die Transportprozesse zur Verfügung stehende Oberfläche hat. Während die Sedimentationsgeschwindigkeit nur marginal beeinflusst wird, treten teilweise starke Verbesserungen des Stofftransports auf. Eine kurze Betrachtung sowie weiterführende Literatur werden in Abschn. 5 angeführt.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Art und Weise der Beeinflussung der Phasengrenzfläche durch die o.g. Einflüsse ein charakteristisches und zum Teil konträres Verhalten zur Folge hat, das sich auf Basis von Einzeltropfenexperimenten gut evaluieren lässt und sich in einem charakteristischen fluiddynamischen Verhalten äußert. Dabei dienen die im Teil I dieses Artikels 5 eingeführten Grundlagen für fluide und starre Partikel als Referenzwerte und es wird gezeigt, inwiefern Einzeltropfenexperimente und insbesondere fluiddynamische Messungen als Indikator genutzt werden können.
2 Fallstudie grenzflächenaktive Substanzen – Adsorption von Tensiden und Amphiphilen
In Flüssig/flüssig-Systemen adsorbieren Tenside und Amphiphile an der Grenzfläche zwischen polarer und unpolarer Phase. Damit verbunden ist in der Regel eine reduzierte Grenzflächenmobilität, der sogenannte fluiddynamische Effekt. Des Weiteren wurde das mögliche Auftreten einer zusätzlichen Barriere für den Stofftransport beobachtet, der sogenannte physio-chemische Effekt (z. B. 11-14).
Durch die Adsorption der Tensidmoleküle sinkt die Grenzflächenspannung. Im Scherfeld des sich bewegenden Tropfens konzentrieren sich die adsorbierten Moleküle an der strömungsabgewandten Seite und bilden über die Tropfenoberfläche einen Grenzflächenspannungsgradienten aus 11, 15-17. Sowohl die Adsorption als auch der Gradient der Grenzflächenspannung beeinflussen Fluiddynamik und Stofftransport auf unterschiedliche Weise.
Das für die Adsorption von grenzflächenaktiven Substanzen in der Regel beobachtete, charakteristische Verhalten (z. B. 11, 16, 18), wird nachfolgend beispielhaft anhand von Messdaten von Paul et al. 19, 20 für das Referenzsystem 1-Octanol(d)/Wasser(c) anhand des nichtionischen Tensids Triton X-100 illustriert.
Abb. 3a zeigt die instationäre Aufstiegsgeschwindigkeit von in Wasser (kontinuierliche Phase (c)) mit einem Durchmesser von 2 mm dispers (d) vorliegenden 1-Octanol-Tropfen. In Anwesenheit von Tensiden ergibt sich mit steigender Tensidkonzentration eine charakteristische Reduktion der stationären Aufstiegsgeschwindigkeit vom Wert des fluiden Partikels auf den Wert des starren Partikels. Es zeigt sich ein leichtes transientes Adsorptionsverhalten, das aufgrund des Viskositätsverhältnisses von ca. 10 nur wenig ausgeprägt ist 20 und beispielsweise beim Stoffsystem Toluol/Wasser besser beobachtet werden kann (s. 21). Ab einer Konzentration von ca. 0,1 mmol L−1 wird nach der für die Adsorption benötigten Zeit keine gerichtete innere Zirkulation mehr induziert, wodurch die stationäre Aufstiegsgeschwindigkeit eines starren Partikels erreicht wird.

Für die Übergangskomponente Pyridine-2-azo-dimethylaniline (PADA) mit dem Stoffübergangswiderstand in der kontinuierlichen Phase (Außenproblem (AP)) und Stofftransportrichtung von kontinuierlich nach dispers zeigt Abb. 3b basierend auf den experimentellen Ergebnissen von Paul et al. 19, dass der Stofftransport für steigende Tensidkonzentrationen bis 1 mmol L−1 auf den Wert des starren Partikels abfällt. Für höhere Konzentrationen wurde sogar eine weitere Abnahme des Stofftransports unter den Grenzfall des starren Partikels festgestellt. Die Autoren begründeten dies mit dem Phasenverhalten von Öl/Wasser/Tensid-Systemen 26.
Auf Basis von Grenzflächenspannungsmessungen kann unter Anwendung der Langmuir-Isotherme der Bedeckungsgrad der Tropfenoberfläche berechnet werden 19, 20 und somit, wie in Abb. 4 dargestellt, die Reduktion der Geschwindigkeit und des Stofftransports mit dem Bedeckungsgrad in Verbindung gebracht werden. Als Richtwert lässt sich basierend auf der vorhandenen Literatur (z. B. 15, 20, 21, 27, 28), ein Bedeckungsgrad von ca. 50–60 % annehmen, ab dem die Geschwindigkeit des starren Partikels erreicht wird.

Im Vergleich dazu zeigt das hier dargestellte Stoffsystem, wie in Abb. 4 erkennbar, bereits bei rechnerisch sehr geringen Bedeckungsgraden eine signifikante Reduktion der Aufstiegsgeschwindigkeit (und der Extraktionseffizienz). Die Abnahme der Grenzflächenspannung beträgt bei Auftreten des Verhaltens des starren Partikels gerade einmal knapp 10 % bezogen auf das binäre System. Hervorzuheben ist hier die Sensitivität der Fluiddynamik bezüglich des Verhaltens der Phasengrenzfläche, die auch in diesem Fall eine plausible Voraussage des Stofftransports auf Basis der Geschwindigkeitsmessungen ermöglicht.
Die Reduktion der Sedimentationsgeschwindigkeit und des Stofftransports zeigt sich auch bei anderen grenzflächenaktiven Substanzen bereits in Anwesenheit kleiner Mengen, was den großen Einfluss von Verunreinigungen in technischen Systemen erklärt. Leleu und Pfennig 1 geben durch Spuren grenzflächenaktiver Substanzen eine Erhöhung der Verweilzeit um einen Faktor von bis zu beinahe zwei in dem für Extraktionskolonnen relevanten Durchmesserbreich von ca. 1 bis 3 mm an. Eine Abschätzung dieses Wertes ist auf Basis des Verhältnisses der Sedimentationsgeschwindigkeit des fluiden und starren Partikels anhand der Stoffdaten möglich, vgl. Abb. 5 aus Teil I 5. Wie im ersten Teil dieses Beitrags 5 dargestellt, bestimmen Weber et al. 29 einen linearen Gewichtungsfaktor γ zwischen der Sedimentationsgeschwindigkeit fluider und starrer Partikel, wobei γ = 1 das Verhalten eines fluiden Partikels und γ = 0 das eines starren Partikels widerspiegelt. Für Systeme mit Stofftransport und potenziell geringen, technisch üblichen Verunreinigungen geben die Autoren auf Basis von 491 Messreihen verschiedener Autoren einen Gewichtungsfaktor von γ = 0,2 an. Dies unterstreicht die häufig stark reduzierte mittlere Sedimentationsgeschwindigkeit technischer Systeme.2)
Inwiefern die Reduktion der Sedimentationsgeschwindigkeit auf Adsorptionseffekte, Marangoni-Effekte oder eine Überlagerung beider Effekte zurückzuführen ist, lässt sich allein anhand der mittleren Sedimentationsgeschwindigkeit nicht eindeutig klären. Eine transiente Betrachtung der Partikelgeschwindigkeit und der Trajektorie kann hier Aufschluss geben, s. a. Abschn. 3.
Ein Aspekt, der selten detaillierte Beachtung findet, ist das teilweise beobachtete Auftreten einer Intensivierung des Stofftransports bei Erhöhung der Tensidkonzentration, insbesondere für Tenside die weniger stark adsorbieren (u. a. Agble und Mendes-Tatsis 30). Eine detaillierte Betrachtung der Fluiddynamik ermöglicht auch hier weitere Einsichten. Das für das Auftreten von Marangoni-Konvektion typische Verhalten reiner Stoffsysteme wird im folgenden Abschnitt erläutert und kann als Anhaltspunkt für diese Betrachtung dienen.
3 Fallstudie Grenzflächeninstabilitäten – Stofftransport bei hohen Konzentrationsgradienten
Ändert sich die Grenzflächenspannung zwischen zwei fluiden, nicht mischbaren Phasen, beispielsweise durch die Anwesenheit einer Übergangskomponente im Falle des Stofftransports, ergeben sich örtliche Konzentrationsunterschiede an der Phasengrenzfläche und damit eine lokal veränderliche Grenzflächenspannung. Diese Gradienten der Grenzflächenspannung induzieren eine Bewegung der Phasengrenzfläche, den sogenannten Marangoni-Effekt 7, der in ternären Systemen in der Regel auf Konzentrationsunterschiede zurückzuführen ist 31. Für eine ausführliche Beschreibung der mit dieser Grenzflächenkonvektion verbundenen Phänomene sei auf Sawistowski 32 verwiesen.
Die Vorhersage des Auftretens von Grenzflächeninstabilitäten, sei es geordneter (u. a. Rollzellen) oder ungeordneter Natur (bspw. Eruptionen) 32, stellt trotz der Entwicklung diverser Stabilitätskriterien eine Herausforderung dar.
Aufgrund der Kopplung zwischen Impuls- und Stofftransport zeigen durch Marangoni-Effekte dominierte Systeme ein transientes Aufstiegsverhalten, das sich analog zu den adsorptionsdominierten Systemen (s. Abschn. 2) in Einzeltropfenexperimenten durch ein charakteristisches Sedimentationsverhalten äußert. Abb. 5a zeigt für diesen Fall schematisch den zweistufigen, transienten Verlauf der Aufstiegsgeschwindigkeit nach Wegener et al. 33.

Nach Wegener et al. 33 stört die durch Marangoni-Effekte induzierte Grenzflächenkonvektion die Ausbildung einer gerichteten Bewegung der Phasengrenzfläche und damit einer geordneten inneren Zirkulation. Folglich beschleunigt der Tropfen aufgrund der höheren Widerstandskraft zuerst auf eine geringe Aufstiegsgeschwindigkeit. Mit steigender Konzentration und damit intensiverer Grenzflächenspannungsgradienten sinkt die Bewegungsgeschwindigkeit maximal bis auf das Niveau des starren Partikels und der Tropfen verweilt länger auf dieser reduzierten Geschwindigkeit. Mit voranschreitendem Stofftransport sinken sowohl die Konzentration als auch die Konzentrationsgradienten der Übergangskomponente im Tropfen und an der Phasengrenzfläche, wodurch die Störung der Bewegung der Phasengrenzfläche stetig abnimmt und die durch die Tropfenbewegung aufgeprägte Scherung sowie die daraus resultierende innere Zirkulation zunehmend wieder auftreten. Dadurch zeigt der Tropfen eine zweite Beschleunigungsphase (- - -), wobei die letztendlich erreichte stationäre Aufstiegsgeschwindigkeit experimentell in der Regel leicht unter dem Niveau des idealen fluiden Partikels liegt. Zum Vergleich sind in Abb. 5a zusätzlich Messwerte von Wegener et al. 34 dargestellt. Dort findet sich auch eine detaillierte Betrachtung dieses Sedimentationsverhaltens.
Numerische Methoden ermöglichen ein tieferes Verständnis der auftretenden Mechanismen: Insbesondere Engberg et al. 39 bestätigen das beschriebene Verhalten mithilfe numerischer Methoden und zeigen zusätzlich die Strömungsablösung und das mit ihr verbundene Druckfeld, das einerseits für eine leichte laterale Oszillation während des Tropfenaufstiegs verantwortlich ist und andererseits den starken lateralen Ausbruch zum Zeitpunkt der Wiederbeschleunigung erklärt. Für eine detailliertere Betrachtung des Ausbruchsverhaltens und der zugrunde liegenden Strömungen sei auf Wegener et al. 34 (experimentell) und Engberg et al. 39 (numerisch) verwiesen. Bei Wegener 40 ist zusätzlich eine ausführliche Parameterstudie auf Basis einer numerischen Betrachtung zu finden.
Abb. 5b zeigt den transienten Verlauf des Stofftransports in Form der dimensionslosen Konzentration in Abhängigkeit der Fourier-Zahl. Zum Vergleich sind die im ersten Teil dieses Artikels 5 vorgestellten Korrelationen für das Innenproblem (IP) sowie beispielhaft für die fluide Partikel Messdaten von Schulze 38 für das Stoffsystem Wasser(d)/Essigsäure/Cyclohexanol(c) und eigene Messungen für das Stoffsystem 1-Octanol(d)/Butyldiglycol/Wasser(c) dargestellt. Die üblicherweise mit dem Auftreten von Marangoni-Konvektion verbundene Intensivierung des Stofftransports, die gleichzeitig für das charakteristische fluiddynamische Verhalten verantwortlich ist, zeigt sich anhand der dargestellten Messdaten von Wegener et al. 36 für das Stoffsystem Toluol(d)/Aceton/Wasser(c), wobei mit steigender Anfangskonzentration der Übergangskomponente eine stärkere Intensivierung des Stofftransport beobachtet wird. Zur Quantifizierung der turbulenten Vermischung im Tropfen sind in Abb. 5b einerseits die vorliegende effektive Diffusivität in Form des R-Faktors nach dem Modell von Calderbank und Korchinski 24 angegeben sowie die Instabilitätskonstante CIP für das Modell nach Henschke und Pfennig 37, dass die Autoren zur Beschreibung des Stofftransports unter Einfluss von Marangoni-Konvektion vorschlagen. Für die EFCE-Referenzsysteme 41 geben Leleu und Pfennig 1 eine Verstärkung des Stofftransports um einen Faktor von mindestens drei gegenüber dem fluiden Partikel nach Kronig und Brink 35 an 37. Dies zeigt sich beispielhaft anhand der dargestellten effektiven Diffusivitäten R, die für den Vergleichsfall des fluiden Partikels R = 2,25 und des starren Partikels R = 1 betragen 24.
Aufgrund des transienten Charakters der Marangoni-Konvektion und der damit verbundenen Transportprozesse sind zeit- und örtlich aufgelöste Messungen sinnvoll, um auf Basis einer fluiddynamischen Messung eine korrekte Schlussfolgerung für den auftretenden Stofftransportmechanismus zu fällen. Eine simple integrale Messung kann aufgrund der Mittelung der beiden in Abb. 5a ersichtlichen Geschwindigkeitsplateaus zu irreführenden Ergebnissen führen. Die in technischen Systemen häufig auftretenden grenzflächenaktiven Verunreinigungen können theoretisch eine Intensivierung der Marangoni-Effekte hervorrufen. Zu erwarten ist in der Regel jedoch eine Überlagerung der in Abschn. 2 gezeigten Effekte mit den hier beschriebenen Phänomenen. Dies kann einerseits zu einer Dämpfung der Marangoni-Effekte führen, andererseits kann ein zusätzlicher transienter Einfluss auf Fluiddynamik und Stofftransport durch die Adsorption auftreten, der beispielsweise die Geschwindigkeit nach der 2. Beschleunigungsphase reduziert. Die komplexe Wechselwirkung zwischen den Grenzflächenphänomenen bedingt in der Regel eine experimentelle Auslegung der Apparate. Durch die Sensitivität der Fluiddynamikmessungen bzgl. des Verhaltens der Phasengrenzfläche können diese einen signifikanten Beitrag zum Verständnis der auftretenden Phänomene leisten.
4 Fallstudie Nanopartikel
Nanopartikel ändern die Grenzflächenspannung in Flüssig/flüssig-Systemen nicht bzw. nur marginal 42, 43. Sie können teilweise aufreinigend wirken, Unreinheiten adsorbieren und die Grenzflächenspannung vergrößern 44.
Vergleichsweise wenige Untersuchungen wurden bisher zu Stofftransport und Fluiddynamik in mit Nanopartikel versetzten Flüssig/flüssig-Systemen durchgeführt. Einzeltropfenuntersuchungen erfolgten hauptsächlich im System Toluol/Wasser mit der Übergangskomponente Essigsäure und fast ausschließlich wurde der Stoffübergang von dispers nach kontinuierlich betrachtet 42, 43, 45-50. Die eingesetzten Nanopartikel wurden meist in der dispersen Toluolphase vorgelegt. Für verschiedene Nanopartikelarten (Silika, Aluminium, Magnetit, Titan), -größen (5–150 nm) und -formen (sphärisch, unförmig) wurde eine Verbesserung des Stoffübergangskoeffizienten mit steigender Nanopartikelkonzentration bis hin zu einem Maximum festgestellt. Die Verbesserung des Stoffübergangskoeffizienten variierte für verschiedene Partikelarten und -größen zwischen 7,5–83 %, wobei kleinere Nanopartikel eine stärkere Verbesserung herbeiführten. Unabhängig von Größe, Art und Material der Nanopartikel lag dieses Maximum bei einer Nanopartikelkonzentration von 0,002–0,003 Gew.-%. Die Verbesserung wurde durch das Vorhandensein von Mikro-Konvektion begründet, die durch die Brownsche Molekularbewegung der Nanopartikel induziert wird und den Stofftransport der Transferkomponente verbessert 51. Höhere Konzentrationen führen zur Agglomeration der Nanopartikel, wodurch die Stofftransportverbesserung aufgrund der geringeren Partikel-Beweglichkeit sinkt 51 und zum Teil auf die Hälfte des Reinstoffwerts bei der maximal untersuchten Konzentration von 0,005 Gew.-% 42, 43, 46, 47 abfällt. Zudem belegen die Partikel die Phasengrenzfläche und verringern so die Austauschfläche 44. Die Viskosität der nanopartikelhaltigen Phase zeigt aufgrund der geringen Partikel-Konzentrationen kaum eine Abweichung von den Reinstoffwerten.
Die Ergebnisse sollten allerdings unter dem Gesichtspunkt bewertet werden, dass die Tropfengröße in den meisten Fällen mit verschiedenen Nanopartikelkonzentrationen nicht konstant gehalten wurde. Die Tropfendurchmesser steigen mit dem Partikelanteil (+34–41 % 42, 43, +16–25 % 46, +14 % 47) und beeinflussen die Fluiddynamik und somit den Stofftransport erheblich. Auch muss beachtet werden, dass bei der angewendeten Konzentration der Transferkomponente Essigsäure im System Toluol/Wasser Marangoni-Effekte auftreten, die nicht beachtet wurden. Die typische reduzierte Aufstiegsgeschwindigkeit verglichen mit der eines fluiden Partikels, die durch alle Autoren beobachtet wird, deutet hierauf ebenfalls hin.
Untersuchungen in Extraktionskolonnen (vertikal 50, pulsierend 52-55, gepackt 49, Sprüh-Extraktionskolonnen 48) zeigen ähnliche Ergebnisse bezüglich des Stofftransports.
5 Fallstudie Ionen
Flüssig/flüssig-Systeme werden in der Extraktion in den meisten Fällen mit einer wässrigen Phase gebildet. Ionen können sich in diesen Systemen im Bereich der Grenzfläche anlagern und schon in kleinen Konzentrationen die Transportprozesse stark beeinflussen 56, 57. Bisher wurde der Einfluss von Ionen vor allem auf die Koaleszenz betrachtet (u. a. 8, 9, 58). Sie erhöhen das elektrische Potenzial an der Flüssig/flüssig-Grenzfläche, was zu einer abstoßenden Kraft führt, welche die Koaleszenz verringert 8, 59. Die sich im Bereich der Grenzfläche befindlichen Ionen beeinflussen die Grenzflächenspannung über mehrere Größenordnungen der Ionenstärke nur gering, mit Abweichungen bis 2 mN m−1 59. Ausnahmen bilden z. B. OH-Ionen, die den pH-Wert erhöhen und die Grenzflächenspannung erheblich senken können 59.
Die angelagerten Ionen führen zu einer unbeweglicheren Grenzfläche, geringerer interner Tropfenzirkulation und einer Verringerung der stationären Aufstiegsgeschwindigkeit 59. Im System Toluol/Wasser fand Villwock 59 für verschiedene Ionen der Hofmeisterreihe eine Abnahme der Aufstiegsgeschwindigkeit zwischen 10–20 % ab einer Ionenstärke von 105 mol L−1. Im System n-Butanol/Wasser steigt im Gegensatz dazu die Aufstiegsgeschwindigkeit mit der Ionen-Konzentration bei Zugabe verschiedener Salze 60. Die Salzzugabe führt in dem System allerdings zu einer starken Steigerung der Dichtedifferenz (+29–77 %) gegenüber dem Reinstoffsystem, was die Autoren als maßgebliche Ursache sehen 60.
Mit der Anlagerung an der Grenzfläche wird aufgrund der reduzierten internen Zirkulation eine Reduzierung des Stofftransports erwartet. Für Hydroxid-Ionen konnten Saien und Daliri 61 nachweisen, dass eine starke Reduzierung des Stoffübergangskoeffizienten von 62,7–82,7 % bei einer Erhöhung des pH-Werts von 5,5 auf 8 auftritt. Die Untersuchungen im System Toluol(d)/Aceton/Wasser(c) wurden mit KOH und NaOH durchgeführt, wobei der Einfluss des Kations als gering eingeschätzt wurde. Saien und Ashrafi 62 untersuchten im System Toluol(d)/Aceton/Wasser(c) die Zugabe von geringen Konzentrationen NaCl, KCl und KI (10−6 bis 10−4 mol L−1). Für beide Stofftransportrichtungen wurden für alle Tropfengrößen Verbesserungen des Stoffübergangskoeffizienten von 149 % bis weit über 400 % gemessen. Begründet wurde die Verbesserung mit einer bevorzugten Hydratation der Wassermoleküle um die Ionen, wodurch die Bindungen der Wassermoleküle zu Aceton reduziert wird und der Übergang von Aceton erleichtert.
Die Salzzugabe kann zusätzlich zu einer Veränderung des Verteilungskoeffizienten führen, z. B. 56, 63.
6 Fazit
Die Wechselwirkung zwischen Impuls- und Stofftransport in Flüssig/flüssig-Apparaten zeigt eine starke Abhängigkeit vom Verhalten der Phasengrenzfläche, die wiederum sensitiv bezüglich des Auftretens von Grenzflächenphänomenen ist. Insbesondere die Adsorption verschiedener Spezies wie Tenside, Nanopartikel oder Ionen an oder in der Nähe der Phasengrenzfläche und das Auftreten von Grenzflächenspannungsgradienten induzieren Grenzflächeneffekte.
Um ein besseres Verständnis der Transportvorgänge zu erreichen und die Kopplung mit Schwarmeffekten zu eliminieren, fokussiert sich die vorgestellte Übersicht vor allem auf Einzeltropfenexperimente. Dabei wird die Fluiddynamik als sensitive Messmethode hervorgehoben und ihr Einsatz als Indikator für das Auftreten von Grenzflächenphänomenen evaluiert. Es zeigen sich unterschiedliche Tendenzen für die verschiedenen Stoffklassen, wobei die gängigen Beobachtungen anhand von Beispielen illustriert oder anhand verschiedener Literaturquellen verglichen werden.
Die komplexen Wechselwirkungen sowie die potenzielle Überlagerung verschiedener Effekte erschweren die Vorhersage der Impuls- und Stofftransportvorgänge und damit die Prognose essenzieller Betriebsparameter, wodurch in der Regel experimentelle Daten für eine zuverlässige Auslegung zur Verfügung stehen müssen. Dazu kommen, wie von diversen Autoren im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte beleuchtet, bestimmte Schlüssel- und Einzeltropfenexperimente in Frage. Deren Vergleich mit einem synthetischem Stoffsystem ohne Zusatzstoffe kann außerdem Aufschluss über den Einfluss der Verunreinigungen geben. Dabei bietet insbesondere eine fluiddynamische Charakterisierung das Potenzial zur Verbesserung des Aufwand/Nutzen-Verhältnisses.
Acknowledgements
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – TRR 63 ”Integrierte chemische Prozesse in flüssigen Mehrphasensystemen” (Teilprojekt A10) – 56091768. Besonderer Dank gilt Mirco Wegener und Niklas Paul für die Vorarbeiten und Bereitstellung von experimentellen Daten zur Erstellung der Abbn. 3–5. Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.
Formelzeichen
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- c [mol L−1]
-
Stoffmengenkonzentration
-
- c* [–]
-
dimensionsloses Konzentrationsverhältnis,
-
- C [–]
-
Instabilitätskonstante
-
- d [m]
-
Durchmesser
-
- Fod [–]
-
Fourierzahl (dispersseitig),
-
- R [–]
-
Verstärkungsfaktor / effektive Diffusivität
-
- t [s]
-
Zeit
-
- v [m s−1]
-
Geschwindigkeit
Griechische Symbole
-
- γ [N m−1]
-
Grenzflächenspannung
-
- γ [–]
-
Gewichtungsfaktor des Modells nach Weber et al. 29
-
- Γ [g m−2]
-
Oberflächenkonzentration
-
- Φ [–]
-
Bedeckungsgrad
Indizes
-
- A
-
Aceton
-
- B
-
Butyldiglycol
-
- c
-
kontinuierliche Phase
-
- d
-
disperse Phase
-
- max
-
maximal
-
- p
-
Partikel
-
- st
-
starr
-
- stat
-
stationär
-
- 0
-
Anfangswert für t = 0
Abkürzungen
-
- ADS
-
adsorptionsdominiert
-
- AP
-
Außenproblem
-
- c
-
kontinuierliche Phase
-
- d
-
disperse Phase
-
- IP
-
Innenproblem
-
- MAK
-
Marangoni-Instabilitäten dominant
-
- PADA
-
Pyridin-2-azo-dimethylanilin
References
- 1) Für eine Betrachtung zur Einsetzbarkeit von Mikrogelen zur Prozessintensivierung, ebenfalls unter Berücksichtigung der Einzeltropfen-Fluiddynamik, sei bspw. auf Faulde et al. [64], [65] verwiesen.
- 2) Zur Beschreibung der Aufstiegsgeschwindigkeit dieser Systeme mithilfe weniger Anpassungsparameter sind bspw. die Modelle von Henschke [66] und Grace et al. [67] geeignet, s. a. [5].