Volume 91, Issue 9 pp. 1219-1228
Übersichtsbeitrag
Open Access

Thermische Energiespeicher – Trends, Entwicklungen und Herausforderungen

Thermal Energy Storage – Trends, Developments and Challenges

Franziska Scheffler

Corresponding Author

Franziska Scheffler

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik, Universitätsplatz 2, 39104 Magdeburg, Deutschland

Correspondence: Franziska Scheffler ([email protected]), Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik, Universitätsplatz 2, 39104 Magdeburg, Deutschland.Search for more papers by this author
First published: 24 July 2019
Citations: 2

Abstract

de

Die Verfügbarkeit leistungsfähiger thermischer Energiespeicher ist essentielle Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Basierend auf dem Anteil am Gesamtenergieverbrauch stehen (1) kostengünstige, sichere und niederschwellig nutzbare Speicher für die Bereitstellung von Raumheizung und Brauchwasser im Fokus. Darüber hinaus wird (2) Hochtemperaturspeichern zur Nutzung in solarthermischen Kraftwerken und Reaktoren ein großes Potenzial zugesprochen. Aussichtsreich ist das innovative Zusammenspiel von Materialien, intelligenter Steuerung, Vernetzung über Systemgrenzen hinaus und die Kombination verschiedener Technologien.

Abstract

en

The availability of powerful thermal energy storages is an essential precondition for a successful energy transition. Due to the big share in the total energy consumption the focus is on (1) a cost-efficient, safe and widespread useable storage to provide room heating and domestic water. Besides there is a great interest in (2) high-temperature storages for the application in solar thermal power plants and reactors. An innovative interaction of materials development, control systems and the combination of different technologies seems to be the most promising strategy.

1 Einleitung

Entwicklungsgeschichtlich gehört die bewusste Nutzung thermischer Energie zu den wichtigsten Faktoren auf dem Weg der Evolution unserer frühen Vorfahren. Die Fähigkeit, selbst Feuer zu entzünden, gibt dem Menschen seit geschätzt mehr als 700 000 Jahren die Möglichkeit, die in Holz und anderen biogenen Stoffen durch Photosynthese gespeicherte Sonnenenergie zu nutzen. Feuer wurde als Hilfsmittel bei der Jagd eingesetzt, diente zur Zubereitung und Haltbarmachung von Speisen und zum Schutz vor Kälte. Dies ermöglichte den menschlichen Vorfahren, auch in Gegenden der Erde vorzudringen, deren wechselnde klimatische Voraussetzungen nicht ausschließlich günstige Lebensbedingungen darstellen und die heute einen Großteil der sogenannten Industrienationen ausmachen.

Auch die heute immer noch dominierende Energiequelle der fossilen Brennstoffe – Kohle, Erdöl und Erdgas – beruht auf dem mehrstufigen Prozess der Umwandlung von Solarenergie in biogene Stoffe, wie Pflanzen, Algen oder Phytoplankton und deren Jahrmillionen dauernde Transformation unter Luftabschluss, erhöhtem Druck und Temperatur. Und obwohl die sichere Verfügbarkeit der – historisch gesehen – erst seit relativ kurzer Zeit genutzten Elektroenergie von essentieller Bedeutung für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft ist, entfällt nicht nur in Deutschland nach wie vor mehr als die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs auf die thermische Nutzung fossiler und erneuerbarer Energieträger (s. Abb. 1). Während für die Bereitstellung von Raumwärme der Temperaturbereich unter 100 °C adressiert werden kann, sind im Bereich der Prozesswärme Temperaturen in einem größeren Bereich von einigen Hundert Grad bis zu 1000 °C und mehr erforderlich. So lassen sich die meisten der aktuellen Forschungsansätze auch einem der beiden Anwendungsbereiche zuordnen.

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Verteilung des Energieeinsatzes auf verschiedene Anwendungsbereiche in Deutschland 2016 (insgesamt 9151 PJ). © Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Die Bedeutung der Entwicklung wirksamer, effizienter und flexibler Speichersysteme im Allgemeinen und von thermischen Speichern im Besonderen spiegelt sich auch in der wachsenden Zahl relevanter Publikationen in den vergangenen Jahren wider. Eine umfassende Darstellungen der Grundlagen und Prinzipien sowie des aktuellen Stands der Technik für alle Formen der Energiespeicherung findet sich z. B. in 1, während in 2 neben der systematischen Einführung in die physikalischen und technischen Fragestellungen von Wärmespeichern und deren Klassifikation ein besonderer Fokus auf die praktische Anwendung gerichtet ist. In 3, 4 werden aktuelle Entwicklungen bei thermischen Speichersystemen sehr detailliert dargestellt. Für einen Blick in die Zukunft der thermischen Speichersysteme und -materialien soll deshalb nachfolgend nur eine kurze Einführung zu den zur Verfügung stehenden Prinzipien und bekannten Technologien gegeben werden. Auf dieser Basis werden die sich daraus ergebenden Herausforderungen und eine Auswahl interessanter Lösungsansätze diskutiert.

2 Prinzipien der Speicherung thermischer Energie

Im Unterschied zu den heute zur Verfügung stehenden Technologien zur Speicherung von elektrischer Energie, die hauptsächlich auf der Nutzung elektrochemischer Prozesse zur Umwandlung in eine andere Energieform beruhen, lässt sich thermische Energie auch ohne Wandlungsprozesse, die in der Regel mit zusätzlichen Verlusten behaftet sind, über unterschiedliche Zeiträume speichern. Ungeachtet dessen verspricht man sich insbesondere von der Nutzung thermochemischer Prozesse eine erhebliche Steigerung der Speicherdichte, wobei diese Prozesse nach wie vor eine besondere Herausforderung darstellen. In Abb. 2 sind die prinzipiell voneinander zu unterscheidenden Speichermechanismen dargestellt und mit Beispielen versehen. Tendenziell nimmt der Reifegrad der entsprechenden Technologie von links nach rechts ab, während sich die zu erreichende, auf das Volumen oder die Masse bezogene, Speicherdichte in die gleiche Richtung erhöht.

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Übersicht zu Technologien der Speicherung thermischer Energie, Beispiele.

Neben einer möglichst hohen Speicherdichte gibt es eine Reihe weiterer Anforderungen, die so auch für andere Speichersysteme gelten (Tab. 1). Welche Speichertechnologie im speziellen Anwendungsfall sinnvollerweise genutzt werden kann, hängt von mehreren Randbedingungen, die sich teilweise auch gegenseitig bedingen, ab. Dazu gehören (1) die Bedingungen, welche die Temperaturniveaus von Lade- und Entladeprozess bestimmen, (2) die voraussichtliche Dauer, über die die Energie gespeichert werden soll sowie eine ggf. (3) gewünschte oder notwendige Mobilität, bzw. lokale Flexibilität des Speichers.

Table 1. Allgemeine Anforderung an Energiespeichersysteme.

Energetische Anforderungen

– hohe Energiedichte

– hohe Leistungsdichte

– geringe Verluste

– geringe Selbstentladung

– geringer Hilfsenergieverbrauch

– hoher Systemnutzungsgrad

Sicherheitsanforderungen

– geringes Schadenspotenzial

– hohe Betriebssicherheit

Lebensdauer

– hohe Zyklenbeständigkeit

– hohe kalendarische Lebensdauer

Umweltverträglichkeit

– Herstellung

– Einsatz

– Entsorgung → Recycling

Wirtschaftlichkeit

– geringe Investitionskosten

– geringe Betriebskosten

3 Speicherung von Sensibler Wärme

Wasser als sensibler Wärmespeicher spielt seit langem die wichtigste Rolle bei der Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser. Neben der sehr hohen spezifischen Wärmekapazität (cp = 4,19 kJ kg−1K−1) zeichnet sich Wasser durch den sehr großen und für unsere Lebensbedingungen sehr gut passenden Bereich aus, in dem es flüssig vorliegt. Daraus ergibt sich auch ein relativ großer Bereich der nutzbaren Temperaturdifferenz, zu der wiederum die speicherbare Energiemenge direkt proportional ist. Darüber hinaus hat Wasser eine hohe Verfügbarkeit und ist aufgrund seiner physiologischen Unbedenklichkeit weder toxisch für Mensch oder Tier, noch anderweitig umweltgefährdend und verursacht somit auch keine Entsorgungsprobleme bei der Außerbetriebnahme dieser Art von Speichern. All diese Gründe lassen erwarten, dass auch in Zukunft die Bedeutung von Speichersystemen auf Wasserbasis nicht abnehmen wird.

Für eine effiziente Nutzung flüssiger, sensibler Wärmespeicher, deren Speicherdichte zunächst prinzipiell von den Stoffkonstanten Wärmekapazität und Dichte abhängen, spielt sowohl die Optimierung des Ein- und Ausspeicherprozesses als auch die Minimierung des Wärmeverlustes eine wesentliche Rolle. Der konstruktive Aufbau solcher Pufferspeicher ist so angelegt, dass Entnahme und Beladung möglichst ohne Durchmischung des gesamten Speichervolumens ablaufen, d. h. beide Prozesse sich in gegenläufiger Richtung als Temperaturfront durch den Speicher bewegen. So kann einerseits über möglichst lange Zeit ein maximaler Temperaturgradient und somit ein möglichst hohes Temperaturniveau auf der Nutzerseite aufrechterhalten werden. Ebenso kann durch die Konstruktion verschiedener Ein- und Ausspeicherebenen die Möglichkeit geschaffen werden, unterschiedliche Temperaturniveaus in einem Speicher direkt anzusprechen. Beispiele hierfür sind die Schichtspeicher der Firma Sailer (Abb. 3).

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Aufbau verschieden konstruierter Schichtspeicher zur Optimierung der Lade- und Entladeprozesse (www.sailergmbh.de).

Die hier beispielhaft gezeigten, sehr ausgefeilten konstruktiven Lösungen für eine optimale Speichernutzung stehen in erste Linie für Wasser als Speichermedium und somit für den Temperaturbereich zwischen 0 und 100 °C zur Verfügung. Für den Temperaturbereich oberhalb 100 °C kommen zunächst Wärmeträgeröle auf Kohlenwasserstoff- und Silikonölbasis infrage. Der Einsatzbereich ist jedoch auf ∼340 °C bei drucklosem Betrieb und ∼400 °C unter Druck beschränkt. Für Anwendungen oberhalb 300 °C stellen Salzschmelzen eine preiswerte Alternative zu den Thermoölen dar, deren Einsatzbereich bis zu 600 °C reicht. In solarthermischen Kraftwerken werden als kostengünstige Speicherfluide z. B. Mischungen aus KNO3 und NaNO3 eingesetzt und ermöglichen so den kontinuierlichen Betrieb der Generatoren zur Stromerzeugung 5. Besondere Material- und Konstruktionsanforderungen ergeben sich hier jedoch aus der Korrosivität der Salzschmelzen und ihrer vergleichsweise hohen Viskosität.

Auch ausgewählte Vertreter aus der noch wachsenden Gruppe ionischer Flüssigkeiten werden aufgrund ihres sehr geringen Dampfdrucks als Wärmeträgermedium bei höheren Temperaturen vorgeschlagen. Durch den Zusatz von Al2O3-Nanopartikeln kann sowohl die Wärmeleitfähigkeit als auch die spezifische Wärmekapazität verbessert werden 6-8.

Weitere Voraussetzung für eine effiziente Speicherung – nicht nur – von sensibler Wärme ist die Reduzierung des Wärmeverlustes über die Außenhülle. Hier spielen neben der Weiterentwicklung kostengünstiger und effizienter Dämmstoffe und -technologien, z. B. Schaumgläser 9, Aerogele 10 und der Vakuum-Superisolation 11, ebenfalls intelligente Ladeprozesse eine wichtige Rolle.

Darüber hinaus gewinnt die Speicherung thermischer Energie als sensible Wärme in Feststoffen immer größere Bedeutung. Während historisch die thermische Gebäudemasse – wie die dicken Mauern alter Schlösser und Kirchen, die im Winter das Auskühlen und im Sommer das Aufheizen der Innenräume verzögern – eine wichtige Speicherfunktion hatte, fehlt heute oft angesichts der modernen Leichtbauweise die Speicherkapazität der Bausubstanz und muss deshalb aktiv ersetzt werden. Als Beispiel dafür seien Beton- oder Natursteinspeicher genannt, die durch gesteuerte Zu- und Abluftführung geladen werden bzw. ihre Energie in die gewünschten Räume abgeben können. Die Einbindung dieser Speicher in die Wärme- bzw. Kältebereitstellung kann aber ebenso durch Wärmeträgerfluide in Rohrleitungen erfolgen. Auch hier kann eine effizientere Speicherung durch intelligentes Lademanagement, z. B. sukzessive Be- bzw. Entladung eines modular aufgebauten Gesamtspeichersystems erreicht werden.

Mit der zunehmenden Etablierung solarthermischer Kraftwerke ergibt sich die Notwendigkeit der (Weiter-)Entwicklung kostengünstiger sowie einfach und sicher handhabbarer Hochtemperaturspeicher. Vielversprechend sind dabei die Ergebnisse, die zu speziell modifizierten Betonzusammensetzungen publiziert wurden 12, 13. Eine Erhöhung des Anteils an Calciumaluminat führt z. B. zur Verbesserung der thermischen Beständigkeit im Temperaturbereich bis 550 °C. In solchen Betonspeichern 14, 15 kann der Wärmeaus- bzw. Wärmeeintrag z. B. mittels luftdurchströmten Rohrregistern erfolgen. Geringerer konstruktiver Aufwand ist für die Nutzung von Schüttgütern wie Sand, Kies oder Schotter mit Partikeldurchmessern von wenigen mm bis einigen cm im fluiddurchströmten Festbett erforderlich 16, 17. Sand selbst kann jedoch auch als Fluid genutzt und durch die thermische Lade- bzw. Entladezone bewegt werden 18. Der Transport erfolgt dabei durch den heißen Luftstrom selbst, der die Wärme überträgt. Möglich ist aber auch eine mechanische Beförderung des zu erwärmenden Schüttguts zu einem oberhalb der Aufheizzone liegenden Einlauf. Im freien Fall durch die Aufheizzone nehmen die Partikel die Energie auf, wobei die Steuerung über den Massenstrom und die Größe der Wärmeübertragungszone möglich ist 19.

Vorteile bezüglich der Handhabung aber auch der thermischen Eigenschaften bietet die Kombination von festen und flüssigen Wärmespeichermaterialien. Im Niedertemperaturbereich kann z. B. eine Kies/Wasser-Mischung genutzt werden 20. Im Hochtemperaturbereich zeigt sich, dass auch die Kombination von Sand oder Kies mit Thermoöl eine Alternative zu Betonspeichern sein kann 21, 22.

4 Nutzung der latenten Wärme – Phase Change Materials

Auch bei der Nutzung des Phasenübergangs zur Speicherung von thermischer Energie spielt Wasser als Speichermedium seit langem eine wichtige Rolle. Mit einer spezifischen Schmelzenthalpie von 334 kJ kg−1 (6 kJ mol−1) und einer nahezu 7-fach höheren Verdampfungsenthalpie (40,7 kJ mol−1) wird Wasser z. B. in Eisspeichern für Kühlanwendungen oder als Heißdampf im Dampfkraftwerksprozess oder in sogenannten Ruths-Speichern 23 genutzt.

Der Vorteil der Nutzung der Schmelzenthalpie eines Stoffes zur Energiespeicherung liegt in der dadurch möglichen Verringerung des Temperaturintervalls bei gleichzeitiger Erhöhung der Speicherdichte. Außerdem verringert sich der Exergieverlust, da die Energiezufuhr nicht gleichzeitig die Temperaturdifferenz zur Umgebung erhöht. Neben einer für den jeweils anvisierten Anwendungsbereich geeigneten Schmelztemperatur mit einer möglichst hohen Phasenübergangsenthalpie müssen Phasenwechselmaterialien (phase change materials, PCMs) weiteren Anforderungen genügen. Dazu gehören (1) gute Wärmeleitfähigkeit, (2) reproduzierbarer Phasenübergang, (3) möglichst geringe Unterkühlung, (4) physikalische und chemische Stabilität, (5) geringer Dampfdruck, (6) beherrschbare Volumenänderung, (7) geringe Korrosivität gegenüber Konstruktionswerkstoffen, (8) geeignetes Schmelz- und Erstarrungsverhalten sowie (9) eine hohe Zyklenstabilität. Darüber hinaus liegt das Augenmerk natürlich auch auf ökonomischen (Preis, Verfügbarkeit) und ökologische Kriterien (Umweltverträglichkeit und geringe Toxizität).

In Abb. 4 sind verschiedene Stoffklassen entsprechend ihrer Schmelztemperatur und Schmelzenthalpie eingeordnet. Im Bereich von Raumtemperatur bis ∼150 °C können sowohl organische Verbindungen wie Paraffine, Zuckeralkohole oder Fettsäuren als auch eine Reihe von Salzhydraten genutzt werden 24, 25. In technischen Anwendungen werden dabei bislang hauptsächlich Paraffinmischungen sowie verschiedene Salzhydrate eingesetzt. Eine sehr detaillierte Übersicht sowohl zu den bislang untersuchten und auch zu den bereits im praktischen PCM-Einsatz befindlichen Stoffen, Stoffgruppen und auch Eutektika findet sich in 26, 27. Je nach Systemeinbindung liegen die technischen Herausforderungen beim Einsatz der PCMs im Umgang mit: (1) der möglichen Unterkühlung der Schmelze 28, (2) der Volumenausdehnung, (3) der geringen Wärmeleitfähigkeit des Feststoffs 29, (4) der mangelnden Stabilität der Verbindung oder auch (5) der Korrosivität der chemischen Verbindung bzw. der möglicherweise entstehenden Zersetzungsprodukte.

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Schmelztemperaturen und Speicherdichten verschiedener PCM-Stoffklassen.

Aufgrund des Phasenwechsels von fest zu flüssig können PCMs nur in einer dichten und unter Einsatzbedingung beständigen Umhüllung genutzt werden. Dazu dienen sowohl Mikro- als auch Makroverkapselungen 30, 31 oder Volumenbehälter. Während die Verkapselung sowohl der möglichen Unterkühlung entgegenwirkt als auch das Problem der geringen Wärmeleitfähigkeit reduziert, sind insbesondere für größere Volumina Wärmeleitstrukturen unverzichtbar. Diese vergrößern darüber hinaus auch das Oberfläche/Volumen-Verhältnis und verringern so die Unterkühlungsneigung. So können dem PCM Metallpulver zugesetzt werden 32, Metallschäume das PCM durchziehen 33 oder speziell geformte Metallbleche in das PCM-Volumen eingebracht werden 29.

5 Sorptionsspeicher

Sorptionswärmespeicher haben das Potenzial große Mengen thermischer Energie, z. B. aus erneuerbaren Energiequellen, verlustarm über beliebige Zeiträume speichern zu können. Motivation sind hierbei sowohl die zu erwartende – vergleichsweise hohe – erreichbare Speicherdichte als auch die mögliche Kombination von Heiz- bzw. Kühlprozessen mit der Ent- und Befeuchtung von Luftströmen sowie deren Nutzung in Wärmepumpen. Wasser spielt dabei als Sorptiv sowohl in Adsorptionsprozessen, d. h. bei der reversiblen Anlagerung auf mikroporösen Oberflächen, als auch bei der Absorption z. B. in konzentrierten Salzlösungen eine wichtige Rolle. Eine aktuelle Übersicht zu Techniken, Materialien und technischer Umsetzung ist in 34 zu finden.

Für die Kombination mikroporöser Feststoff/Wasser sind Lade- und Entladeprozess schematisch in Abb. 5 dargestellt. Bei der reversiblen Anlagerung eines ausgewählten Fluids auf der inneren Oberfläche des mikroporösen Materials wird die Adsorptionsenthalpie als Wärme freigesetzt, was dem Entladeprozess des Speichers zum Abrufen der gespeicherten thermischen Energie entspricht. Zum Laden wiederum wird durch die Zuführung thermischer Energie oder durch Reduzierung des Partialdrucks das Fluid wieder aus dem Speichermaterial ausgetrieben.

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Lade- und Entladeprozess eines Adsorptionsspeichers.

Adsorptionsspeicher auf Basis von porösem Silicagel oder Zeolith 13X haben sich bereits in verschiedenen Anwendungen, wie in Adsorptionskältemaschinen oder in Wärmezwischenspeichern, z. B. Geschirrspülern 35, technisch etabliert. Aufgrund der vergleichsweise hohen Investitionskosten, sowohl für das Material selbst als auch für die Systemkomponenten, rentieren sich Adsorptionsspeicher vor allem bei Anwendungen mit hohen Zyklenzahlen. Intensiv wird hier in einer Reihe von Arbeitsgruppen an der Modifizierung der mikroporösen Materialien geforscht. Ziel ist dabei einerseits die Anpassung des Sorptionsverhaltens an die jeweiligen Einsatzbereiche, z. B. durch Ionenaustausch, chemische Modifizierung oder strukturelle Veränderungen. Außerdem liegt die Verbesserung von Stoff- und Wärmetransport 36, 37 im Fokus der technischen Entwicklung moderner Speichermodule sowie eine Reduzierung des Produktionsaufwands 38.

Bei der Nutzung von Absorptionsprozessen zur thermischen Speicherung werden verschiedene Salze, Salzlösungen oder auch konzentrierte Säuren und Laugen eingesetzt. So kann z. B. überschüssige Wärme aus Solarthermiekollektoren den Ladeprozess antreiben, um aus verdünnter NaOH-Lauge Wasser zu verdampfen und so eine konzentrierte Lösung zu erzeugen (Ladeprozess). Zur Nutzung der gespeicherten Wärme (Entladeprozess) wird in die konzentrierte NaOH-Lauge Wasserdampf eingeleitet und die freiwerdende Adsorptions- oder auch Mischungswärme über Wärmetauscher zum Verbraucher abgeführt 39, 40. Aufgrund der oft korrosiven Laugen stellt sich dabei die Wahl geeigneter Materialien für Behälter, Rohrleitungen und weitere Bauteile als besondere Herausforderung dar.

6 Nutzung chemischer Reaktionen zur Speicherung thermischer Energie

Die thermochemische Energiespeicherung kann typischerweise mittels folgender vereinfachter Gleichung beschrieben werden:
urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0001(1)

Dabei wird die Verbindung A unter Wärmezufuhr in die Komponenten B und C aufgespalten. Die Komponenten B und C werden ggf. getrennt, gespeichert und erst zur Freisetzung der gespeicherten Wärme wieder in Reaktion gebracht. Hierbei kann sowohl für den Lade- als auch für den Entladeprozess die Nutzung eines Katalysators hilfreich bzw. erforderlich sein.

Power-to-Gas- bzw. Power-to-X-Technologien als vielversprechende technische Entwicklungen für die Energiespeicherung haben in den letzten Jahren verstärkt den Fokus auf sich gezogen, dies jedoch hauptsächlich für die Speicherung überschüssiger Elektroenergie, die aus der fluktuierenden Bereitstellung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen entspringt. Die Nutzung energiereicher Moleküle als Speicher erlaubt sowohl die Lagerung als auch den Transport der zunehmend regelmäßig anfallenden Energieüberschüsse. Dazu stehen bereits etablierte Technologien und Netzwerke, wie z. B. Tank- und Verbundleitungssysteme für gasförmige und flüssige Brennstoffe, zur Verfügung.

In Abb. 6 ist gezeigt, dass sich ausgewählte chemische Reaktionen sowohl im Sinne eines thermischen Akkumulators im geschlossenen Kreislauf nutzen lassen als auch zur Erzeugung von zeitlich und räumlich flexibel einsetzbaren Energieträgern, deren Verbrennungsprodukte nicht wieder ins System zurückgeführt werden.

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Konzepte für die thermochemische Energiespeicherung a) im geschlossenen Kreislauf und b) offenes System ohne Rückführung der Verbrennungsprodukte 41.

Da durch die Nutzung der chemischen Bindung sehr hohe Energiebeträge gespeichert werden können (bis zu einigen 100 kJ mol−1), resultiert daraus in Abhängigkeit von der chemischen Verbindung auch eine sehr hohe Speicherdichte. So liegen die massebezogenen Speicherdichten z. B. für Ethanol bei 20 MJ kg−1 oder 50 MJ kg−1 für Methan und entsprechen damit denen der fossilen Brennstoffe. Erste Untersuchungen zur Nutzung von reversiblen Gasphasenreaktionen (z. B. Dampfreformierung, Methanisierung), die bei Temperaturen bis 850 °C ablaufen, wurden bereits vor längerer Zeit im Zusammenhang mit der Nutzung solarthermischer Energie 42 und aus Kernkraftwerksprozessen beschrieben 43.

Sollen reversible chemische Reaktionen bzw. die dabei entstehenden chemischen Verbindungen zur Speicherung thermischer Energie genutzt werden, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:
  • moderate (dem Niveau von Lade- und Entladeprozess angepasste) Reaktionstemperaturen,

  • möglichst hohe spezifische Reaktionsenthalpie,

  • hohe Reversibilität, keine Folge- oder Parallelreaktionen,

  • hinreichende Reaktionsgeschwindigkeiten für Hin- und Rückreaktion,

  • leicht abzutrennende und stabil zu speichernde Reaktionsprodukte,

  • Reaktanden und Produkte, die weder giftig, korrosiv, brennbar oder explosiv sind,

  • geringe Volumenänderung während der Reaktion und

  • in hohem Maße verfügbare und preiswerte Ausgangsstoffe.

Neben den oben bereits beispielhaft erwähnten Reaktionen, die vollständig in der Gasphase ablaufen, sind auch Reaktionen von Interesse, bei denen Feststoffe oder Flüssigkeiten mit der Gasphase reagieren. Interessant sind dabei verschiedene Metallverbindungen, die unter Energiezufuhr Gase abspalten. Ein Großteil der Reaktionen lässt sich einem der folgenden Reaktionstypen zuordnen. Dabei können sowohl Reaktionstemperatur als auch Reaktionsenthalpie in weiten Bereichen variieren.

Dehydratisierung
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urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0003(3)
Decarbonatisierung
urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0004(4)
Reduktion
urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0005(5)

Eine systematische Übersicht mit vielen, theoretisch nutzbaren Reaktionen ist in 41 zu finden, wobei hier auch die Nachteile z. B. einer zu hohen Reaktionstemperatur bzw. Hürden für die mögliche technische Umsetzung diskutiert werden.

Einige der untersuchten Reaktionen sind jedoch besonders vielversprechend und Gegenstand aktueller Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Für den sogenannten calcium loop, bei dem Calciumcarbonat bei 600 – 900 °C dekarbonisiert (Gl. 6) und das entstehende CO2 mit einem Adsorbenz aufgefangen wird
urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0006(6)

konnte anhand von Modellrechnungen 44 gezeigt werden, dass dieser Prozess mit einem optimierten Adsorbenz durchaus eine Alternative für den Einsatz als Wärmespeicher in solarthermischen Kraftwerken sein könnte.

Eine weitere Alternative im Bereich der Hochtemperaturanwendungen ist die thermochemische Wasserspaltung 45, bei der zwei getrennt verlaufende Redoxreaktionen (Gl. 7 und (8)) zu einem zyklischen Kreisprozess kombiniert werden. Neben verschiedenen Eisenoxiden, Zinkoxid oder Perovskiten wird Zinnoxid 46 als besonders erfolgversprechend eingeschätzt.
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urn:x-wiley:0009286X:media:cite201800156-math-0008(8)

Während die Reduktion von SnO in einem Solarreaktor bei Temperaturen oberhalb 1000 °C erfolgt, kann die Bildung des Wasserstoffs schon bei wesentlich geringeren Temperaturen beobachtet werden. Wird der so erzeugte Wasserstoff dann in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt, ist dies ein gutes Beispiel dafür, dass die Zukunft der nachhaltigen Energiebereitstellung die bislang noch geläufige Systemabgrenzung (thermisch, elektrisch, mechanisch) überwinden wird.

Als weiteres Beispiel hierfür kann z. B. auch die solarthermische Rückgewinnung von Zink aus Zinkoxid, das in größerem Umfang in Zink/Luft-Batterien anfällt, angeführt werden. Dazu wird das zu recycelnde Material im Festbettreaktor bei 1000 – 1300 °C reduziert 47.

7 Erwartungen an die Entwicklung künftiger thermischer Energiespeicher

Der in Abb. 2 gekennzeichnete unterschiedliche Reifegrad der Technologien lässt zunächst erwarten, dass sowohl im Bereich der Sorptionsspeicherung als auch bei der chemischen Speicherung thermischer Energie weitere Sprunginnovationen möglich sind. Unabhängig davon zeichnet sich in allen Bereichen (i) eine stärkere Vernetzung verschiedener Technologien und damit verschiedener Energieformen und (ii) eine intelligente Steuerung als aussichtsreiche Forschungs- und Entwicklungsstrategie ab.

Um Prognosen für die zukünftige Entwicklung aufzustellen, ist eine Unterteilung in die zwei großen Anwendungsbereiche sinnvoll:
  1. Speicherung für industrielle, in der Regel Hochtemperaturprozesse mit Anwendungen im Bereich solarthermische Stromerzeugung und Prozessenergie und

  2. Speicherung für den Niedertemperaturbereich mit den Anwendungen Kühlung, Klimatisierung, Bereitstellung von Raumwärme und Brauchwasser.

Nachdem der chemischen Speicherung thermischer Energie schon sehr lange ein sehr hohes Potenzial vorausgesagt wurde, zunächst allerdings kaum passende und sowohl technisch als auch wirtschaftlich umsetzbare Reaktionen in der Literatur beschrieben wurden, lassen die neueren Publikationen 48, 49 hier auf eine beschleunigte Entwicklung und praktische Umsetzung erster Verfahren hoffen. Vor allem Reaktionen im mittleren und Hochtemperaturbereich für den Einsatz in solarthermischen Kraftwerken und in der chemischen und Prozessindustrie erscheinen chancenreich. Dabei kann die Integration einer energiespeichernden Reaktion als Parallel- oder Konsekutivreaktion in den Hauptprozess durchaus sinnvoll sein und die Gesamtbilanz verbessern.

Ebenfalls im industriellen Bereich, allerdings bei niedrigeren Temperaturen, kann die Technologie der Wärmetransformation zur Effizienzsteigerung beitragen. Dabei ersetzt ein Teil der zur Speicherung verfügbaren Energie die sonst von außen zuzuführende Antriebsenergie 50. Hier können z. B. Sorptionsprozesse genutzt werden, um den Anteil wiederverwertbarer Energie in Brauereien, bei der Lebensmittelverarbeitung oder in der chemischen Industrie zu erhöhen 51, 52.

Mit ca. 1/3 entfällt auf die Raumwärme- und Brauchwasserbereitstellung der größte Teil des Gesamtenergiebedarfs. So ist hier durch den verstärkten Einsatz von effizienten Speichern, sowohl zur Erhöhung des Anteils an regenerativen Energien als auch zum Wärmerecycling, ein besonders großes Einsparpotenzial vorhanden. Möglichkeiten ergeben sich aus der effizienten Kombination von Wärmepumpen- und Wärmespeicherfunktion sowie aus der Kombination eines Wärmespeicher- mit einem Energiewandlungsprozess, z. B. der Erzeugung von mechanischer/elektrischer Energie im Organic Rankine Cycle 53. Eine ebenfalls systemübergreifende Technologie wäre die verstärkte, datengestützte Nutzung von modernen Nachtspeicheröfen als Lastspeicher für überschüssigen Windstrom, der witterungsbedingt vor allem im Winter anfällt. Nachdem über längere Zeit zwar Produktion und technische Weiterentwicklung in deutschen Firmen vorangetrieben wurden, die Geräte aber vornehmlich in Asien eingesetzt werden, versprechen aktuelle Projekte, wie die Windheizung der RWE-Tochter Innogy, ein Comeback dieser Technologie unter einem anderen Vorzeichen: Nutzung von CO2-frei erzeugtem Windstrom.

Innovative Werkstoffe werden auch in absehbarer Zukunft die Entwicklung der Wärmespeicherung vorantreiben. Sowohl neue oder verbesserte Speichermaterialien als auch Supportwerkstoffe zur Verringerung von Wärmeverlusten oder zur Verbesserung der Wärmeübertragung zwischen den funktionalen Einheiten sind im Fokus heutiger Forschung. Beispiele hierfür sind Core-Shell-Composites, bei denen ein Kupferkern von einer Eisenschale umgeben ist und so die Schmelzenthalpie des Kupfers (13,1 kJ mol−1) bei 1084 °C genutzt werden kann 54, oder auch Mischungen aus Kohlenstoff und verschiedenen Metallen, die sogenannte Miscibility Gap Alloys (MGA) bilden 55. Diese kombinieren die gute thermische Leitfähigkeit des Kohlenstoffs mit der hohen Schmelzenthalpie z. B. von Aluminium oder Kupfer. Auf Interesse stoßen auch kristalline Feststoffe, die reversibel unter bestimmten Bedingungen eine strukturelle Phasenumwandlung durchlaufen, wie β-Ti3O5, das sich unter Temperatureinfluss zu λ-Ti3O5 umwandelt und die thermische Energie speichert, bis durch einen äußeren Impuls der Entladeprozess gestartet wird 56. Auch Polymerkomposite, z. B. als Mischung aus einem harten und einem weichen Polymer mit unterschiedlichen Glasübergangsbereichen 57, können als maßgeschneiderte PCM eingesetzt werden. Auf dem Gebiet der sorptiven Wärmespeicherung gehören die metallorganischen Gerüstverbindungen (MOF) aufgrund ihrer großen und bei weitem noch nicht ausgeschöpften Variabilität zu den interessanten Verbindungen. Außer neuen und chemisch modifizierten Strukturen kann für spezielle Anwendungen auch die Nutzung anderer Sorptive als Wasser sinnvoll sein 58.

Für alle eingangs beschriebenen Technologien gilt darüber hinaus, dass eine mögliche Modularisierung der Speichereinheiten günstige Voraussetzung für die Skalierbarkeit der technischen Anwendung bietet.

Nicht zuletzt sollte ein weiteres, für die breite technische Umsetzung entscheidendes, Kriterium die möglichst verlustfreie Wiederverwertung des Speichermaterials und aller eingesetzten Komponentenwerkstoffe sein.

Formelzeichen

  • cp [kJ kg−1K−1]
  • spezifische Wärmekapazität

  • ΔH [kJ mol−1]
  • Reaktionsenthalpie

  • Biography

    • image

      Franziska Scheffler studierte Chemie an der Technischen Hochschule Merseburg und promovierte im Bereich der Technischen Chemie zu Zeolith-Katalysatoren. Nach Forschungsarbeiten an der MLU Halle, der FAU Erlangen und der UBC Vancouver übernahm sie verschiedene Leitungsfunktionen am Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE) in Erlangen. Im Jahr 2008 folgte sie dem Ruf auf die Professur für Technische Chemie – Funktionale Materialien an die OVGU Magdeburg. Dort leitet sie den Studiengang „Nachhaltige Energiesysteme“. Ihr Forschungsinteresse gilt der Entwicklung, Charakterisierung und Anwendung von porösen Materialien für Katalyse und Energiespeicherung sowie der Nutzung thermoelektrischer Materialien.

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