Der Rote Keulenkopf
Teil 2 von 6
Zusammenfassung
deWährend die Ursache der Ergotoxikose noch immer im Dunkeln lag, wurde das Mutterkorn erstmals in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in einer Nürnberger Sammlung medizinischer Rezepturen für die Behandlung von Gebärmutterbeschwerden genannt. 1582 veröffentlichte der Frankfurter Stadtarzt Adam Lonicer in seinem „Kreuterbuch“ das Mutterkorn als Medikation bei Regelschmerzen. Erst im 17. Jahrhundert erkannten der französische Mediziner und Botaniker Denis Dodart sowie der Schweizer Arzt Johann Conrad Brunner im Mutterkorn den Auslöser des gangränösen und konvulsiven Ergotismus. Das Auslesen der Sklerotien aus der Roggenernte und die wachsende Akzeptanz der Kartoffel als Nahrungsmittel drängten den Ergotismus deutlich zurück. Die dadurch bedingte Unterbelegung in den Antoniterhöspitälern brachte den Orden zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Die tiefgreifenden kulturellen und politischen Umwälzungen seit dem 16. Jahrhundert und die ökonomische Situation der Antoniter führten 1776 zu ihrer Integration in den Malterserorden. Anfang des 18. Jahrhunderts veröffentlichten zwei Mediziner der Universität Tübingen ihre Abhandlungen zum Mutterkorn, in denen erstmals von Hebammen berichtet wurde, die das Sklerotium als Wehenmittel einsetzten. Beide Schulmediziner warnten darin eindringlich vor seinen Gefahren in der Geburtsheilkunde. Trotz der Risiken hielten Hebammen und Geburtshelfer an der Mutterkornarznei fest. Erst mit der Veröffentlichung des Vortrags des US-amerikanischen Arztes Oliver Prescott Jr. im Jahr 1813, in dem er – bei richtiger Anwendung – die Bedeutung des Mutterkorns in der Obstetrik und der Gynäkologie hervorhob, fand die Mutterkornarznei auch Eingang in die europäische Schulmedizin.
Summary
enWhile the reasons for the ergotoxicosis remained obscure, ergot was mentioned for the first time in a Nurnbergian manuscript of the 15th century, for the treatment of uterine problems. In 1582 the city of Frankfurt physician Adam Lonicer published in his “Kreuterbuch” an ergot-containing medication for the treatment of menstrual cramps. Only in the 17th century, did the French botanist Denis Dodart and the Swiss physician Johann Conrad Brunner discover in ergot the causative agent of gangrenous and convulsive ergotism. The removal of the sclerotia from edible seed and the growing acceptance of the potato as food resulted in a significant reduction of the ergotism. The financial problems of the Hospital Brothers of St. Anthony, caused by underoccupancy of their infirmaries and cultural and political disruptions since the 16th century, led to their integration into the Order of the Knights of Malta. In the early 18th century two physicians at the University of Tubingen mentioned in their scientific treatise that midwives used ergot for the promotion of obstetric labor. Both physicians warned of the dangers in its use as a medication in obstetrics. Nonetheless, midwives and obstetricians continued with their ergot applications. Only by the publication of the U.S. physician Oliver Prescott Jr. in 1813, in which he underpinned the importance of ergot in obstetrics – if correctly administered – the ergot medicine found its way into European orthodox medicine.