Offen und ehrlich miteinander umgehen
Graphical Abstract
Offen und ehrlich miteinander umgehen
Zunächst möchte ich eine Lanze brechen für diese Zeitschrift, die Sie gerade in der Hand halten oder deren Beiträge Sie gerade elektronisch abrufen. Die Chemie in unserer Zeit habe ich schon als Schüler vor 40 Jahren mit großem Interesse gelesen. Auch heute im 48. Jahrgang ist sie niemals langweilig. Dies liegt natürlich vor allem daran, dass in der Chemie immer wieder Neues, Interessantes und Spannendes entdeckt, erforscht und entwickelt wird. Und die Chemie in unserer Zeit verfolgt diese Entwicklungen genau, sucht und findet Themen, die für Studenten, Lehrkräfte, Chemikerinnen und Chemiker in Industrie, Hochschule oder öffentlichem Dienst, für die ganze Bandbreite der an Chemie Interessierten, gleichermaßen lesenswert sind. In keiner anderen Zeitschrift findet man so spannende Beiträge zur Chemie im Alltag, zur Geschichte der Chemie oder zu interdisziplinären Themen wie Verfügbarkeit von Rohstoffen, Energieversorgung der Zukunft und Klimawandel. Und in kaum einer anderen Zeitschrift werden solche Beiträge mit einer so leicht verständlichen Sprache vermittelt.
Die Chemie in unserer Zeit hatte einst Auflagen, die knapp an die 20.000er-Marke heranreichten. Diese Zeiten sind leider längst vorbei. Bücher und Zeitschriften in gedruckter Form kommen immer mehr aus der Mode. Informationsbeschaffung vollzieht sich heute anders als noch vor 20 Jahren: Smartphone oder Tablet sind allgegenwärtig und über Facebook und YouTube lässt es sich bestens kommunizieren. Alles schnell und hektisch, häufig aber auch etwas oberflächlich. Dennoch hat die Chemie in unserer Zeit einen noch immer herausragenden Namen, und die Leserreichweite ist nach wie vor erfreulich.
Wie wird die Chemie als Wissenschaft und Industrie in unserer Gesellschaft wahrgenommen? Als Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker sehe ich hier Handlungsbedarf, beispielsweise bei der Kommunikation chemiebezogener Themen, bei der wir mit etwas mehr Mut auch kontroverse Themen anders als in der Vergangenheit aufnehmen sollten. Die Chemie, um hier bewusst die verschiedenen Akteure in einem Begriff zusammenzufassen, hat in der Vergangenheit in der Kommunikation Fehler begangen. Dies gilt nicht nur für die Chemie, sondern, wie wir wissen, beispielsweise auch für die Kern- und Gentechnik. Beschönigen hat noch niemals geholfen, aus Krisen herauszukommen. Sachverhalte auf fachlich richtiger Grundlage allgemeinverständlich darzustellen, ist das Einzige, was allen weiterhilft. Eine Kommunikation, die ausschließlich nach der Parole “Wir müssen das unbedingt positiv darstellen” handelt, verliert sehr schnell an Glaubwürdigkeit und ist nicht mehr zeitgemäß.
Offen miteinander umzugehen, den Dialog auch und insbesondere mit Kritikern der Chemie zu suchen, die auf ehrliche Erklärungen beispielsweise zu Themen wie Fracking oder Nanomaterialien warten, das habe ich für meine Amtszeit als Präsident der GDCh als ein wichtiges Leitmotiv gewählt. Dazu möchte ich eine Arbeitsgemeinschaft Chemie und Gesellschaft bei der GDCh ins Leben rufen und würde mir einen großen Zuspruch sehr wünschen. Zunächst müssen die Informationsbedürfnisse der Gesellschaft ausgelotet werden. So besteht zur Wahrnehmung der Nanotechnologie nach einer jüngsten Studie in der Bevölkerung ein Informationsdefizit. Und beim Thema Fracking ist gerade die Chemie gefordert, über die Auswirkungen auf Mensch und Natur verantwortungsbewusst zu informieren. Das ist kein neuer Ansatz, aber er soll sich erstmals in einer dauerhaften organisatorischen Struktur einer Arbeitsgemeinschaft fortentwickeln und ein solides Fundament für den Dialog und für öffentliche Diskussionen schaffen. Ich freue mich auf viele interessante Diskussionen auch mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.
Gern erwarte ich Ihre Vorstellungen und Ideen zu dieser Dialoginitiative und -offensive. Nutzen Sie hierzu meine E-Mail-Anschrift [email protected].
Ihr
Thomas Geelhaar

Dr. Thomas Geelhaar, Merck, hat zum 1. Januar 2014 das Amt des GDCh-Präsidenten von Professor Dr. Barbara Albert, TU Darmstadt, übernommen. Nach dem Studium der Chemie begann Geelhaar 1984 seine Tätigkeit bei Merck als Laborleiter in der Flüssigkristall-Forschung. Heute ist er Senior Vice President, Chief Technology Officer Chemicals und Sprecher der Chemieforschung bei Merck.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker im Internet: www.gdch.de