Chemische Reaktionstechnik in Zeiten der Energiewende
Abstract
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Liebe Leser,
diese Ausgabe der Chemie Ingenieur Technik ist Beiträgen aus dem Jahrestreffen Reaktionstechnik des Jahres 2017 gewidmet, das wieder traditionell auf der Festung Marienberg in Würzburg stattgefunden hat. Die Beiträge des Themenhefts sind vor allem geprägt von aktuellen Fragestellungen, die von der deutschen Energiewende inspiriert werden. Die Energiewende wird zukünftig neben dem Stromsektor auch andere Sektoren wie das produzierende Gewerbe und dort besonders die chemische Industrie beeinflussen. Alleine acht Beiträge beschäftigen sich mit der Herstellung von Energieträgern und Chemieprodukten aus Synthesegasen (Wasserstoff und CO2 oder CO). Die betrachteten Syntheseverfahren sind die Fischer-Tropsch-Synthese, die CO2-Methanisierung und die Methanol-Synthese. Durch eine direkte Kopplung des Stromnetzes mit der Herstellung von Energieträgern nach dem Prinzip der sogenannten Sektorkopplung über die Elektrolyse von Wasser oder der Co-Elektrolyse von Wasser und CO2 würden Fluktuationen direkt von einem Stromnetz in die chemische Synthese übertragen werden. Die durch die Verfügbarkeit von elektrischem Strom vorgegebene dynamische Betriebsweise von Reaktoren ist neu gegenüber heutigen technischen Produktionssystemen.
Bekannt ist diese dynamische Betriebsweise schon lange aus der Autoabgas-Katalyse. Dort ist der dynamische Betrieb des Autoabgas-Katalysators durch die Fahrweise des Fahrers vorgegeben. Eine weitere Motivation für dynamische Betriebsweise ging von den Entwicklungen von Yuri Matros am Boreskov Institut in den 1970er Jahren aus: Die Wärmeintegration in Chemiereaktoren sollte durch dynamische Umschaltung von Feed- und Produktseite drastisch verbessert werden. Daraus entwickelten sich eine Reihe weiterer Konzepte dynamischer Prozessführung, die aber nur begrenzten Eingang in die industrielle Anwendung gefunden haben. Heute können Reaktionstechniker und Katalytiker auf ein erheblich ausgeweitetes Spektrum an Methoden zurückgreifen. Dazu gehören insbesondere die hochentwickelten operando-Methoden für die Beobachtung der Struktur und Zusammensetzung von Katalysatoren unter Reaktionsbedingungen, die schnelleren und besser automatisierten Methoden zur Ermittlung der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches im und nach dem Reaktor, die inzwischen allgemein zugänglichen Werkzeuge zur Prozessautomatisierung im Labor und Möglichkeiten zur Auswertung von Labordaten. Die heutige Computer-Technik erlaubt zudem die Anwendung komplexer Modelle für die dynamische Modellierung chemischer Reaktoren. Mit diesen und weiteren Fragestellungen werden sich die Projekte beschäftigen, die durch das von Jan-Dierk Grunwaldt vom KIT koordinierte Schwerpunktprogramm 2080 „DynaKat – Katalysatoren und Reaktoren unter dynamischen Betriebsbedingungen für die Energiespeicherung und -wandlung” der DFG gefördert werden und noch im Jahr 2018 ihre Arbeit aufnehmen sollen.
Eine weitere Möglichkeit zur Einkopplung erneuerbarer Energien in chemische oder biochemische Prozesse ist die Photoreaktionstechnik. Bisher wurde dieses Forschungsfeld überwiegend durch Materialwissenschaftler, Chemiker, Mikrobiologen und Biotechnologen getragen. Inzwischen beteiligen sich aber zunehmend auch Reaktionstechniker an diesem interessanten Forschungsfeld. Ein prominentes Beispiel ist der Preisträger des Hanns-Hofmann-Preises der Fachgruppe Reaktionstechnik des Jahres 2017, Dr. Dirk Ziegenbalg, mit seinen Arbeiten zur Bilanzierung und Modellierung von Photoreaktionen und zur Entwicklung neuer Reaktorkonzepte.
Diese und weitere Themen werden wir auch dieses Jahr beim Jahrestreffen Reaktionstechnik diskutieren, das vom 07. – 09. Mai auf der Festung Marienberg in Würzburg stattfindet. Wir freuen uns auf interessante Vorträge und Gespräche in Würzburg!