Volume 19, Issue 11 pp. 1582-1590
Minireview
Open Access

Ethnische Diversität in deutschsprachigen Dermatologielehrbüchern: Ist sie vorhanden und wie wichtig ist diese? ein Mini-Review

Deborah Maria Gregersen

Corresponding Author

Deborah Maria Gregersen

Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena

Korrespondenzanschrift

Dr. med. Deborah Maria Gregersen

Klinik für Hautkrankheiten

Universitätsklinikum Jena

Erfurter Straße 35

07743 Jena

E-Mail: [email protected]

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Peter Elsner

Peter Elsner

Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena

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First published: 22 November 2021
Citations: 2

Zusammenfassung

Aktuell publizierte Literatur weist auf Missverhältnisse der medizinischen Versorgung in Abhängigkeit von der Hautfarbe in angloamerikanischen Ländern hin. Ein Teil dieses Phänomens wird darauf zurückgeführt, dass sich über 90 % der Fallbeispiele und Abbildungen in Lehrbüchern und Publikationen auf helle Hauttypen (Hauttypen I–III nach Fitzpatrick) beziehen. Dieses systematische Review zeigt ähnliche Verhältnisse für die deutsche Referenzliteratur. Es stellt sich somit die Frage, ob die sich diversifizierende deutsche Bevölkerung durch die aktuelle Medizinerausbildung gut abgebildet und versorgt ist.

Einleitung

Die visuelle Wahrnehmung ist ein Grundpfeiler der klinischen Dermatologie. Die erste Einschätzung eines Patienten erfolgt zunächst häufig per „Blickdiagnose“, sei es auch nur, um zwischen entzündlichen, proliferativen oder pigmentierten Läsionen zu unterscheiden. Aktuelle Publikationen haben eine Qualitätsdiskrepanz der medizinischen Versorgung zwischen weißen und nicht weißen People of Color (PoC) sowohl in Großbritannien als auch in den USA aufgedeckt [1, 2]. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die allgemeine medizinische und auch dermatologische Lehr- und Fachliteratur überwiegend auf hellere Hauttypen bezieht und kaum dunkle Hauttypen berücksichtigt. Die Augen des Klinikers werden so trainiert, erythematöse Hautveränderungen auf heller Haut zu unterscheiden. Potenziell lebensbedrohliche Dermatosen wie schwere kutane Arzneimittelreaktionen oder das Kawasaki-Syndrom erscheinen auf dunklerer Haut jedoch signifikant anders als auf heller Haut. Das Übersehen oder eine verzögerte Diagnose aufgrund des Nichterkennens und Untrainiertheit des Klinikers könnten fatal sein. Die überwiegende Abbildung eher hellerer Hauttypen findet sich auch in der wissenschaftlichen Literatur [1-4].

Die Mobilität großer Menschengruppen rund um den Globus ist aufgrund von Tourismus, Geschäftsreisen, Flucht und Asylsuche in den letzten Jahrzehnten dramatisch gestiegen. Ärzte in westlichen Ländern sind daher mit einer zunehmenden Diversität ihrer Patienten konfrontiert, was auch für verschiedene Hauttypen gilt [5]. Die oben erwähnten Publikationen schlussfolgern, dass die aktuelle medizinische Lehre den Bedürfnissen eines großen Teils der Bevölkerung nicht mehr gerecht wird. Die Qualität medizinischer Versorgung von PoC könnte daher beeinträchtigt sein, was als „strukturell verankerter Rassismus“ kritisiert wird [1]. Ein möglicher Ansatzpunkt, der Ignoranz der Medizin bezüglich unterschiedlicher Hauttypen zu begegnen, also das Patientengut nicht mehr kulturell, geografisch und ethnisch in „kaukasisch“ – weiß – und „nicht kaukasisch“ – pigmentiert – einzuteilen, ist die Anwendung neben deskriptiven auch von funktionellen Parametern des Hauttypus. Hier eignet sich die Einteilung nach Fitzpatrick, die sich einerseits auf den Pigmentierungsstatus und andererseits auf die funktionelle Aktivität der Haut nach Sonnenexposition bezieht. Die Übergänge der Hauttypen sind also fließend und ermöglichen eine realistischere Abbildung von unterschiedlichen Hautschattierungen und damit der tatsächlichen Diversität der menschlichen Haut [6]. Die Kenntnis solcher Hilfsmittel ist auch für Deutschland relevant, da die Bevölkerung sich zunehmend diversifiziert und Ärzte regelmäßig mit Patienten unterschiedlicher Hauttypen konfrontiert sind [5, 7, 8].

Ziel dieses systematischen Mini-Review ist, die Diversität der Hautfarben in der deutschen Standardliteratur zu überprüfen und daraus abzulesen, welches Wissen in Bezug auf die Versorgung von verschiedenen Hauttypen aktuell von Haus- und Hautärzten erwartet werden kann.

Methoden

Wir analysierten für diese Studie 17 dermatologische Lehrbücher, die in den letzten vier Jahren in deutscher Sprache erschienen sind. Wir werteten die Abbildungen, die Dermatosen zeigten, hinsichtlich Gesamtanzahl und Menge unterschiedlicher Hauttypen nach Fitzpatrick aus.

Die Auswahl der Bücher erfolgte am 4. Dezember 2020 in den Datenbanken der „DNB“ (Deutsche Nationalbibliothek, siehe Online-Supplement 1) und „THULB Jena“ (Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, siehe Online-Supplement 1) mit dem Schlagwort „Dermatologie“. Die Suche wurde auf „Bücher“, „Deutsche Sprache“ und Erscheinungsjahr 2016–2020 eingeschränkt. Von den Ergebnissen wurden nur Lehrbücher und Fachbücher für die Analyse berücksichtigt, die Bilder der Epidermis enthielten. Nach Ausschluss von Duplikaten, älteren Auflagen und Medien, die die Einschlusskriterien nicht erfüllten, schlossen wir 17 Lehr- und Fachbücher in unsere Analyse ein (Online-Supplement 2, 3).

Die Bücher wurden systematisch Seite für Seite ausgewertet. Die Abbildungen, die Epidermis zeigten, wurden einem von sechs Hauttypen nach Fitzpatrick zugeordnet. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Wahrnehmung der Farbgebung in einzelnen Fotos durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann. Dazu gehören unter anderem Belichtung während der Aufnahme, Drucklegung des Fotos, Papierqualität und Raumbeleuchtung sowie Erfahrung des Betrachters. Um die Umgebungsfaktoren zu minimieren und die Analyse zu standardisieren, wurden alle Bücher am gleichen Arbeitsplatz, bei gleicher Deckenbeleuchtung, alle elektronischen Bücher am selben Bildschirm ausgewertet und dort auch die Recherche absolviert. Als Referenz für die Einteilung der Hauttypen nutzten wir das color bar survey item von Ho und Robinson [9].

Wenn eine Abbildung aus vielen kleinen Teilabbildungen bestand, zählten wir sie als eine, teilten diese durch die Anzahl der Einzelbilder und summierten die Anteile jeweils zu den unterschiedlichen Hauttypen auf. Auf diese Weise entstanden in unserer Analyse Kommazahlen.

Wir werteten das Bildmaterial von Kapiteln aus zwei Standardlehrbüchern [10, 11] und einem dermatopädiatrischen Lehrbuch [12] zu den häufigsten Dermatosen wie ekzematösen (atopische Dermatitis), psoriasiformen (Psoriasis), proliferativen (Melanom) und akneiformen (Akne) Dermatosen hinsichtlich der Hauttyp-Diversität aus.

Zusätzlich analysierten wir zwei US-amerikanische Atlanten [13, 14], einen deutschen Atlas [15], ein US-amerikanisches Lehrbuch [16] und ein Kapitel aus einem der Standardwerke für Dermatologie [17], die jeweils explizit Dermatologie unterschiedlicher Hauttypen behandeln. Wir nahmen diese als Vergleichsreferenz und als Alternative zur Analyse der deutschen Standardliteratur (Online-Supplement 4).

Bei der Erstellung dieses Reviews orientierten wir uns an den Richtlinien des PRISMA Statement [18]. Dieses Mini-Review wurde nicht registriert und wurde keiner Ethikkommission zur Evaluierung vorgelegt.

Ergebnisse

Nach Durchsicht der oben genannten Datenbanken von DNB und THULB erhielten wir 182 und 167 Treffer je Plattform. Nach den primären Kriterien schlossen wir 146 Medien der DNB und 140 der THULB aus. Zweiundzwanzig Treffer wurden als Duplikat identifiziert und von den 41 verbleibenden schlossen wir weitere 24 aufgrund der sekundären Ausschlusskriterien aus (Online-Supplement 1 und 2).

In der Folge analysierten wir die verbleibenden 17 Lehrbücher, die eine Gesamtanzahl von 5354 Abbildungen mit den Hauttypen I bis VI umfassten. 4892,11 Abbildungen zeigten Hauttyp I oder II nach Fitzpatrick, was 91,40 % der Abbildungen entsprach. Hauttyp III wurde in 344,10 Abbildungen (6,43 %), Hauttyp IV in 51,33 (0,96 %), Hauttyp V in 23,5 (0,44 %) und Hauttyp VI in nur einer einzigen Abbildung (0,02 %) gesehen. Der Anteil der Hauttypen III bis VI beträgt 7,84 %, der der noch dunkleren Hauttypen IV bis VI nur 1,41 % (Tabelle 1).

Tabelle 1. Bildmaterial mit Hauttypen nach Fitzpatrick in deutschen Dermatologielehrbüchern
Autor, Jahr Titel Seitenzahl [total] Bilderanzahl mit Hauttypen nach Fitzpatrick
I bis VI III bis VI IV bis VI
Total [n] [n] [%] [n] [%]
Dirschka, Oster-Schmidt, Schmitz, 2020 Klinikleitfaden Dermatologie 848 211 1 0.47 0 0
Herrmann, Trinkkeller, 2020 Dermatologie und medizinische Kosmetik: Leitfaden für die kosmetische Praxis 286 76 2 2,63 0 0
Kahl-Scholz, 2020 Du studierst doch Medizin, sag mal …: Alltagsbeschwerden einfach erklärt … 170 17 0 0 0 0
Kaufmann, Podda, 2020 Dermatologische Operationen: Farbatlas und Lehrbuch der Hautchirurgie 392 299 6 2,01 0 0
Stebut-Borschitz et al., 2020 Facharztprüfung Dermatologie und Venerologie: 1000 kommentierte Prüfungsfragen 370 116 1 0,86 0 0
Plötz, 2019 Häufige Hauttumoren in der Praxis 153 210 20 9,52 0 0
Terhorst, 2019 BASICS Dermatologie 158 206 13 6,31 5 2,43
Blume-Peytavi, Albrecht-Nebe, 2018 Atlas der pädiatrischen Dermatologie 633 1249 78 6,25 5 0,40
Fritsch, Schwarz, 2018 Dermatologie Venerologie: Grundlagen, Klinik, Atlas 1217 555 14 2,52 3 0,54
Kautz, 2018 Energie für die Haut: Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern 501 101,99 17,24 16,90 4 3,92
Keil, Kiecker, 2018 Endspurt Klinik. Skript 11: Urologie, Dermatologie 80 55 0,5 0,91 0 0
Plewig, Ruzicka, Kaufmann et al., 2018 Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie 2265 1224,75 199,5 16,29 51,5 420
Sterry, 2018 Kurzlehrbuch Dermatologie 351 202,90 15,93 7,85 2 0,99
Stolz, 2018 Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie: Dermatoskopie, Sonografie, optische Kohärenztomografie, konfokale Lasermikroskopie und weitere physikalische Verfahren 304 298 5 1,68 0 0
Goebeler, Hamm, 2017 Basiswissen Dermatologie 335 131 19,5 14,89 1 0,76
Krause, Effendy, 2016 Anogenitale Hautkrankheiten: Erkennen, Befunden, Behandeln 201 159 24,17 15,20 4,33 2,73
Moll, Jung, Augustin et al., 2016 Dermatologie 533 242,40 3.1 1,28 0 0
Bilderanzahl mit Hauttypen nach Fitzpatrick
Total [n] I + II III IV V VI III bis VI [n] IV bis VI [n]
5354,05 4892,11 344,10 51,33 23,5 1 419,94 75,83
Total [%] I + II III IV V VI III bis VI [%] IV bis VI [%]
91,37 6,43 0,96 0,44 0,02 7,84 1,42

Nach den Standardlehrbüchern (1) „Braun Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie“ [10] und (2) „Dermatologie, Venerologie“ [11] und dem (3) dermatopädiatrischen Atlas [12], alle im Jahr 2018 erschienen, enthielten die Kapitel zu akneiformen Dermatosen (1) 6,25 %, (2) 1,45 % und (3) 5,41 % Hauttyp III sowie keine Abbildung zu Hauttyp IV bis VI; die mit atopischer Dermatitis und ekzematösen Dermatosen (1) 5 % und (2) 1,56 % Hauttyp III, (2) zeigte keinerlei Abbildungen von Hauttyp III bis VI; die mit psoriasiformen Dermatosen (1) 13,04 %, (2) 3,85 % und (3) 6,25 % für Hauttyp III und keinerlei Hauttyp IV bis VI. Die Kapitel zu Melanom und proliferativen Dermatosen zeigten (1) 36,36 %, (2) 5,36 und (3) 10 % Hauttyp III und nur in (2) 1,09 % Hauttypen IV bis VI (Tabelle 2).

Tabelle 2. Diversität des Bildmaterials in deutschen Dermatologielehrbüchern: Fokus auf häufige Dermatosen (Akne/akneiforme Dermatosen, atopische Dermatitis und Ekzem, Psoriasis/psoriasisforme Dermatosen, proliferative Läsionen/Melanom)
Autor, Titel, Jahr

Titel des Kapitels mit:

– Akne/akneiforme Derm

– atosenatopische Dermatitis und Ekzem

– Psoriasis/psoriasiforme Dermatosen

– Melanom/proliferative Läsionen

Bilderanzahl mit Hauttypen nach Fitzpatrick
I bis VI III bis VI IV bis VI
Total [n] [n] [%] [n] [%]
Plewig Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie, 2018 72 Akne und Rosazea 17 1 6,25 0 0
32 Atopisches Ekzem 21 1 5 0 0
39 Psoriasis 26 3 13,04 0 0
106 Melanom 15 4 36,36 0 0
Fritsch, Schwarz Dermatologie Venerologie: Grundlagen, Klinik, Atlas, 2018 18 Gewebs- und regionsspezifische Krankheiten der Haut 60 1 1,45 0 0

5 Intoleranzreaktionen

Einschließlich ekzematöse Dermatosen

48 0 0 0 0
8 Erythematosquamöse/hyperkeratotische Hautkrankheiten 20 1 3,85 0 0
17 Neoplasien (Tumoren) und tumorähnliche Läsionen der Haut 98 5 5,36 1 1,09

Blume-Peytavi, Albrecht-Nebe

Atlas der pädiatrischen Dermatologie, 2018

23 Talg- und Schweißdrüsenerkrankungen 37 2 5,41 0 0
15 Ekzeme und Dermatitiden 64 1 1,56 0 0
16 Erythematöse, erythematosquamöse und papulöse Dermatosen 64 4 6,25 0 0
4. Hauttumoren und Tumorsyndrome 50 5 10 0 0

Von den zusätzlich ausgewerteten Medien zeigte der „Dermatology Atlas for Skin of Color“ [14] insgesamt 417 Abbildungen, davon 405 (97 %) Hauttyp III bis VI und 345 (82,73 %) Hauttyp IV bis VI (Typ I und II mit insgesamt 12 Abbildungen [2,88 %], Typ III 60 Abbildungen [14,39 %], Typ IV 211 Abbildungen [50,60 %], Typ V 132 Abbildungen [31,65 %], Typ VI mit 2 Abbildungen [0,48 %]); der „Dermatological Atlas of Black Skin“ [13] zeigte von insgesamt 109 Abbildungen zu 100 % die Hauttypen IV bis VI. Es fanden sich keine Abbildungen der Hauttypen I und III (Typ I bis III 0,17 Abbildungen mit Hauttyp IV [15,60 %], Typ V 92 Abbildungen [84,40 %] und 9 Abbildungen mit Hauttyp VI [2,89 %]); „Dermatosen aus drei Kontinenten“ [15] zeigten von 323 Abbildungen 224,17 (69,40 %) Hauttyp III bis VI und 176,17 (54,54 %) Hauttyp IV bis VI (Typ I und II mit 99 Abbildungen [30,60 %], Typ III 48 Abbildungen [14,86 %], Typ IV 72,5 Abbildungen [22,44 %], Typ V 94 Abbildungen [29,21 %], Typ VI mit 9 Abbildungen [2,89 %]); von den 246,5 Abbildungen des Lehrbuchs „Ethnic Skin. Medical and Surgical“ [16] zeigten 231,5 (93,91 %) Hauttyp III bis VI und 185,5 (75,25 %) Hauttyp IV bis VI (Typ I und II mit 15 Abbildungen [6,01 %], Typ III 46 Abbildungen [18,66 %], Typ IV 90 Abbildungen [36,51 %], Typ V 95,1667 Abbildungen [38,61 %], Typ VI mit 0,33 Abbildungen [0,14 %]); und das Kapitel 89 aus „Braun Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie“, „Besonderheiten der nichtweißen Haut“ [17] die Verteilung der Hauttypen zeigte 14 Abbildungen mit Haut, von denen zwölf (85,71 %) die Hauttypen III bis VI und neun (64,29 %) Hauttypen IV bis VI (Typ I und II mit 2 Abbildungen [14,28 %], Typ III 3 Abbildungen [21,43 %], Typ IV 6 Abbildungen [42,86 %], Typ V 3 Abbildungen [21,43 %] und keine Abbildungen von Typ VI zeigte) (Tabelle 3).

Tabelle 3. Diversität des Bildmaterials in den ausgewählten Lehrbüchern und in einem Kapitel zu unterschiedlich pigmentierter Haut
Autor, Jahr Titel von Buch oder Kapitel Seitenzahl [total] Bilderanzahl mit Hauttypen nach Fitzpatrick
I bis VI III bis VI IV bis VI
Total [n] [n] [%] [n] [%]
Jackson-Richards, Pandya 2014 Dermatology Atlas for Skin of Color 321 417 405 97.12 345 82.73
Conolly, Bikowski 2006 Dermatological Atlas of Black Skin 96 109 109 100 109 100
Schmeller, Bendick, Stingl, 2005 Dermatosen aus drei Kontinenten. Bildatlas der vergleichenden Dermatologie 230 323 224.167 69.40 176.167 54.54
Johnson, Moy, White, 1998 Ethnic Skin. Medical and Surgical 290 246.5 231.5 93.91 185,5 75.25
Bendick in Braun Falco’s Dermatologie, Allergologie und Venerologie, 2018 89 Besonderheiten der nichtweißen Haut 16 14 12 85.71 9 64.29
Bilderanzahl mit Hauttypen nach Fitzpatrick
I + II III IV V VI
[n] % [n] % [n] % [n] % [n] %
Jackson-Richards, Pandya, 2014 Dermatology Atlas for Skin of Color 12 2.88 60 14.39 211 50.60 132 31.65 2 0.48
Conolly, Bikowski, 2006 Dermatological Atlas of Black Skin 0 0 0 0 17 15.60 92 84.40 0 0
Schmeller, Bendick, Stingl, 2005 Dermatosen aus drei Kontinenten. Bildatlas der vergleichenden Dermatologie 99 30.60 48 14.86 72.5 22.44 94 29.20 9 2.89
Johnson, Moy, White, 1998 Ethnic Skin. Medical and Surgical 15 6.08 46 18.66 90 36.51 95.1667 38.61 0.333 0.14
Bendick in Braun Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie, 2018 89 Besonderheiten der nichtweißen Haut 2 14.28 3 21.43 6 42.86 3 21.43 0 0

Diskussion

Unsere Ergebnisse stimmen zusammenfassend mit den bereits in Großbritannien und den USA durchgeführten Studien dieser Art überein [1, 2]. Sie zeigen eine klare Unterrepräsentation der Hauttypen III bis VI nach Fitzpatrick in der dermatologischen Referenzliteratur in Deutschland. Die Hauttypen IV bis VI sind tatsächlich kaum vertreten. Dies wirft die Frage auf, ob deutsche Dermatologen überhaupt für die Behandlung dunklerer Hauttypen ausgebildet werden. Die deutsche Weiterbildungsordnungen WBO ([Muster-]Weiterbildungsordnung) und beispielhaft die „WBO der Landesärztekammer Thüringen“ fordern eine „genügende“ Ausbildung in Diagnostik und Behandlung um das vorliegende Patientengut zu behandeln [19, 20]. Kenntnisse der Behandlung von Hauttypen, die „traditionellerweise“ in Deutschland seltener zu finden sind, sind für den Weiterbildungsassistenten für Dermatologie nicht gefordert.

Unseres Wissens ist die International Society for Dermatology in the Tropics die einzige wissenschaftliche Fachgesellschaft, die in Deutschland Dermatosen in unterschiedlichen Hauttypen und Pigmentierungsgraden in ihrem Curriculum zur Tropendermatologie auf der Agenda hat. Sie ist die einzige deutsche Institution, die ihre Ausbildungsinhalte in der Gesamtheit auf alle Hauttypen bezieht und nicht nur hellere Hauttypen behandelt. Von 2013 bis 2018 haben etwa 85 Ärzte das Curriculum absolviert und das Zertifikat „Tropendermatologie“ erhalten – im Gegensatz zu den etwa 5000 niedergelassenen Dermatologen in Deutschland eine sehr geringe Anzahl [5, 21].

Die großen dermatologischen Kongresse DDG-Tagung und Fortbildungswoche in Deutschland bieten die Plattform für Seminare der unterschiedlichsten Themen; Hauttyp-Diversität wurde dort aber in den letzten Jahren nicht explizit behandelt. Neben dem freiwilligen Angebot der Weiterbildung in Tropendermatologie der International Society for Dermatology in the Tropics sind Dermatosen unterschiedlicher Hautfarben auf den Kongressen und der normalen Ausbildung nicht vertreten. Nichtsdestotrotz wird es einzelne Dermatologen geben, die sich aufgrund individueller Motivation eine größere Erfahrung im Umgang mit unterschiedlichen Pigmentierungsgraden angeeignet haben, zumal wenn sie sich in ehrenamtlichen Hilfseinsätzen in tropischen Ländern engagiert haben. Es ist gleichwohl ein reduzierter Standard der medizinischen Versorgung für PoC aufgrund ihrer Hautfarbe zu vermuten. Das Thema der Diversität in der Dermatologie wurde bisher nur im Rahmen der Genderdebatte und des Verhältnisses von weiblichen zu männlichen Dermatologen behandelt, als 2017 erstmalig eine Frau zur DDG-Präsidentin gewählt wurde [22].

Die letzte Auflage des Fachbuchs „Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie“ [10] enthält ein Kapitel, das explizit verschiedene Hautfarben behandelt. Dies ist unseres Wissens der einzige Beitrag zu dem Thema in einem aktuellen deutschen Lehrbuch. Andere Bücher enthalten eher Kapitel zu Pigmentanomalien als zu Unterschieden in der Grundpigmentierung [11, 2325]. Das einzige deutsche Lehrbuch, das sich unterschiedlichen Hauttypen widmet, ist der 2005 erschienene Atlas „Dermatosen aus drei Kontinenten“. Die Abbildungen zeigen eine ausgewogene Mischung aller Hauttypen im Gegensatz zu den herkömmlichen Lehrbüchern der letzten vier Jahre (Tabelle 3). In den US-amerikanischen Atlanten [13, 14] und dem Buch über „Ethnic skin“ [16] werden hauptsächlich Hauttyp 4 and 5 abgebildet (Tabelle 3). Die seltene Abbildung von Hauttyp IV bis VI in deutschen Lehrbüchern wirft auch die Frage auf, ob die Anhebung der Diversität unserer Lehrbücher überhaupt ein geeignetes Mittel ist, die medizinische Lehre und Fachweiterbildung zu diversifizieren. Davon ausgehend, dass häufige Dermatosen wie Ekzemerkrankungen und Psoriasis signifikant andere klinische Erscheinungsbilder auf verschieden pigmentierter Haut aufweisen, aber weltweit etwa in gleichen Häufigkeiten vorkommen, ist es ethisch geboten, sich einen klinischen Blick für diese Dermatosen auf allen Hauttypen anzueignen [26]. Aufgrund der visuellen Ausrichtung der Dermatologie scheint die Forderung nach Anpassung der Referenzabbildungen als ein geeignetes Mittel zur Kenntnisvermehrung. Der Vergleichsatlas „Dermatosen aus drei Kontinenten“ ist ein gutes Beispiel für eine ausgewogene Verteilung des Bildmaterials. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass einige typische Läsionen oder Effloreszenzen auf einem bestimmten Hauttyp besonders gut sichtbar sind. So lassen sich zum Beispiel verschiedene Schattierungen von Erythemen am besten auf heller Haut beurteilen, was die Betonung hellerer Haut als visuelles Referenzmaterial in der Weiterbildung für Dermatologie in Teilen rechtfertigt.

Die intensivere Ausbildung der deutschen Dermatologen in der Diagnostik von Dermatosen in allen Hauttypen ist wünschenswert; ihre Notwendigkeit ist gleichwohl nicht einfach klar zu beurteilen, da konkrete Zahlen über die Bevölkerungsanteile mit dem ein oder anderen Hauttypen fehlen. Die Hauttypen I und II bleiben die „traditionell“ vorherrschenden in Deutschland. Die Auswertung der Zahl von PoC in der deutschen Bevölkerung ist mit aktuellen Methoden nicht möglich. Es erfolgt keine Quantifizierung des Hauttypus durch das statistische Bundesamt DESTATIS, es zählt andere Parameter wie Einkommen, Bildung, Alter oder Herkunft. Im Jahr 2019 wurden 26 % der deutschen Bevölkerung als Personen mit Migrationshintergrund eingestuft. Von den 21,1 Millionen Menschen wurden 65 % als europäisch, aus EU- und EU-Anrainerstaaten stammend, bewertet. Aus den afrikanischen Ländern kamen 4,6 %, aus den amerikanischen 3 % und aus asiatischen Ländern 22 %. Die Türkei war mit einem Anteil von 13 % am häufigsten vertreten [27]. DESTATIS zählt alle Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft zu Personen mit Migrationshintergrund, sobald ein Elternteil nicht deutscher Staatsbürger ist. Im Jahr 2019 ist die Migrantenpopulation in Deutschland um 2,1 % angewachsen, was den niedrigsten Anstieg des letzten Jahrzehnts bedeutet. Von der Immigrationsrate auf den tatsächlichen Anteil an PoC zu schließen, ist nicht möglich. Auf genaue Zahlen verschiedener Hauttypen ist also nicht zu schließen, die Diversitätszunahme im ganzen Lande lässt sich quantitativ nur erahnen [7]. In der Folge sind Änderungen der kulturellen, sozialen und medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung zu erwarten [27], die es erfordern, die medizinische und dermatologische Lehre entsprechend anzupassen.

Schlussfolgerung

Dieser Mini-Review zeigt die Unterrepräsentation von stärker pigmentierten Hauttypen in der dermatologischen Lehre. Fach- und Lehrbücher zeigen hauptsächlich die helleren Hauttypen I bis III. Für PoC könnte daraus eine qualitativ geringere medizinische Versorgung resultieren, die nicht dem medizinischen Standard in Deutschland entspricht. Die Zunahme an Hauttyp-Diversität in Deutschland sollte durch die akademische Lehre während des Medizinstudiums und in der Facharztweiterbildung abgebildet werden. Unterschiedliche Hautfarben sollten darüber hinaus in der Literatur, Lehrbüchern und bei Kongressthemen berücksichtigt werden. Wissenschaftsverlage können ihre Autoren durch ihre Richtlinien dazu anhalten, auf diversitätsbewusstes Schreiben zu achten. Der Atlas „Dermatosen aus drei Kontinenten“ ist dafür ein gelungenes Beispiel.

Einschränkungen

Trotz unserer Mühen um Einheitlichkeit bei der farblichen Bewertung der Bilder können wir nicht ausschließen, dass es keine interpersonellen Unterschiede der Hauttyp-Bewertung je nach Raum- und Desktopbeleuchtung sowie je nach Erfahrungsschatz der bewertenden Person gibt.

Danksagung

Wir danken den M.Scs. Kathrin Kowalczuk und Stephen George für die Unterstützung bei der Datenauswertung und für Durchsicht der Fachsprache.

Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.

Interessenkonflikt

Keiner.

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