Kerion Celsi durch Trichophyton mentagrophytes Genotyp III* bei einem 2-jährigen Kind – erfolgreiche Therapie mit Terbinafin
Anamnese
Ein zwei Jahre und einen Monat altes Mädchen entwickelte eine schmerzhafte Schwellung mit auffälliger Fluktuation an der behaarten Kopfhaut. Die orale Gabe von Cefuroxim-Axetil über sieben Tage brachte keine Besserung. Eine mikrobiologische Diagnostik erfolgte zunächst nicht. Bei ambulanten Vorstellungen in der Kinderchirurgie wurde wiederholt sonografisch kontrolliert. Bei Progredienz der Schwellung parietal am Kopf entschloss man sich zur Inzision der abszedierenden, eitrigen Läsion und zur Einlage eines Loops zur Drainage des Wundsekrets und Eiters. Aus dem jetzt entnommenen Wundabstrich wuchs unterdessen ein Dermatophyt. Der Pilz wurde zunächst als Trichophyton (T.) interdigitale identifiziert. Bei der Vorstellung des Mädchens in der Hautklinik wurde die orale antimykotische Behandlung mit Terbinafin empfohlen.
Lokalbefund
In der Hautarztpraxis sah man rechts parietookzipital eine ca. 5 × 5,5 cm messende, nässende, eitrig sezernierende Wunde und Schwellung der Haut mit Fluktuation des subkutanen Gewebes (Abbildung 1). Fieber bis 38,5°C wurde gemessen. Es wäre erst nach Inzision des Abszesses an der Kopfhaut aufgetreten. Das Kind erhielt Ibuprofen als Saft, worunter das Fieber sank.

Diagnostik
Aus einem Abstrich sowie Wundsekret wuchsen auf Sabouraud-Glukose-Agar innerhalb von 4–5 Tagen multiple kleine, flache, ausstrahlende, weiße, granuläre Kolonien mit gelb-beiger Rückseite. Die konventionelle Identifizierung ergab T. mentagrophytes (Abbildung 2). Der direkte Dermatophyten-DNA-Nachweis mit PCR aus Abstrichen und Wundsekret war positiv für T. mentagrophytes/T. interdigitale. Zur Spezies-Identifizierung erfolgte eine Sequenzierung der Internal Transcribed Spacer (ITS)-Region der rDNA sowie des „Translation Elongation Factor 1 α“ (TEF 1 α)-Gens. Die DNA-Sequenz der ITS-Region war zu 100 % mit Referenzsequenzen von T. mentagrophytes in der NCBI-Datenbank (NCBI - National Centre for Biotechnology Information in Bethesda, Maryland, USA) identisch. Im phylogenetischen Stammbaum – dem Dendrogramm – entsprach der Stamm aufgrund der ITS-Sequenz dem Genotyp III* von T. mentagrophytes.

Infektionsquelle
Die Familie hat eine Katze (Freiläufer), außerdem wurden in der Schule des Bruders drei Kaninchen im Wochenenddienst versorgt. Weder bei der Katze, noch den Kaninchen war jedoch kulturell oder mit PCR ein Dermatophyt nachweisbar.
Therapie
Topisch kamen neben Polihexanid-Lösung auch eine Clotrimazol-haltige Creme sowie eine Ciclopiroxolamin-haltige Lösung jeweils einmal täglich zur Anwendung. Eine orale antimykotische Therapie mit Terbinafin (bei <20 kg Körpergewicht 62,5 mg Terbinafin täglich, bei Kindern im Off-Label-Use) wurde sofort bei Erstvorstellung in der Hautarztpraxis eingeleitet. Nach 8 Wochen wurde auf 62,5 mg alle 2 Tage reduziert, nach 12 Wochen auf eine Gabe alle 3 Tage. Insgesamt kam Terbinafin über mehr als 4 Monate (17 Wochen) zur Anwendung. Das Kerion Celsi heilte mit Narbenbildung ab (Abbildung 3). Zehn Monate später sah man auf etwa 10 % des ursprünglich infizierten Areals auf der Kopfhaut eine Pseudopélade Brocq mit vermindertem Haarwachstum.

Tinea barbae beim Vater des Kindes
Zweieinhalb Wochen nach Therapiebeginn bei der Tochter wies der 33jährige Vater des Kindes im linken Oberlippen-/Bartbereich eine erythematöse, erhabene und pustulöse Plaque von ca. 2 × 3 cm Ausmaß auf (Abbildung 4). Links submandibulär waren Kirschkern-große Lymphknoten zu tasten. Aus einem Abstrich vom Wundareal im Bartbereich wuchs auf Sabouraud-Glukose-Agar ein Dermatophyt. Die konventionelle und molekularbiologische Identifizierung mit Sequenzierung der DNA der ITS-Region ergab gleichfalls T. mentagrophytes ITS Genotyp III*. Unter dem Verdacht auf eine Tinea barbae profunda mit Lymphknotenschwellung erhielt der Patient über vier Wochen täglich 250 mg Terbinafin. Die Tinea barbae bildete sich schnell zurück.

Kommentar
Antimykotische Therapie beim Kerion Celsi
Aufgrund eigener Erfahrungen, jedoch auch basierend auf den Empfehlungen der aktuellen Leitlinie zur Tinea capitis soll bei Verdacht auf ein Kerion Celsi bzw. bei Tinea capitis profunda oder ausgeprägter Tinea capitis umgehend mit der systemischen oralen antimykotischen Behandlung begonnen werden [1]. Die mykologische Diagnostik erfolgt trotzdem zeitgleich – Abnahme des Untersuchungsmaterials vor Beginn der antimykotischen Behandlung. Auf der Kenntnis der Dermatophyten-Spezies beruht letztlich die Wahl des oralen Antimykotikums oder dieses kann im Verlauf angepasst werden [2].
Systemische antimykotische Behandlung mit Terbinafin bei Tinea capitis durch Trichophyton-Arten
Im Kindesalter ist Terbinafin das Mittel der Wahl zur Behandlung einer Tinea capitis durch Trichophyton-Arten [3]. Neben T. mentagrophytes betrifft das auch T. tonsurans, T. benhamiae, T. quinckeanum, T. violaceum, T. soudanense und T. verrucosum. In Deutschland werden ausnahmslos alle oralen Antimykotika im Kindesalter im Off-Label-Use angewendet. Das schriftliche Einverständnis der Eltern muss nach Aufklärung über die in Deutschland fehlende Zulassung für Kinder vorliegen.
Die Dosierung von Terbinafin wird entsprechend Körpergewicht (KG) vorgenommen. Bei <20 kg KG werden 62,5 mg/d gegeben, bei >20-40 kg KG 125 mg Terbinafin/d und bei >40 kg KG 250 mg/d. Die Therapiedauer bei Kerion Celsi beträgt mindestens acht Wochen, oft deutlich länger [4]. Letztlich wird bis zum negativen PCR-Befund und bis zur klinischen Heilung oral und darüber hinaus auch topisch antimykotisch behandelt. Das Mädchen mit Kerion Celsi erhielt sogar etwas länger als vier Monate Terbinafin. Die Terbinafin-Gabe erfolgte täglich. In Abwandlung der Empfehlung aus der aktuellen Leitlinie zur Tinea capitis wurde nach acht Wochen auf eine Terbinafin-Applikation alle zwei Tage, nach 12 Wochen auf eine Gabe alle drei Tage reduziert.
Eine Kontrolluntersuchung von Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) und Glutamat-Pyruvat-Transaminase GPT) sowie Gamma-Glutamyltranferase (γ-GT) wird laut neuer Leitlinie Tinea capitis nur bei Patienten mit vorbekannten Einschränkungen der Leberfunktion, mit hepatotoxischer Komedikation oder bei sonstigen, die Leberfunktion beeinträchtigenden Komorbiditäten empfohlen [1]. Falls Labor-Kontrollen erfolgen, dann vor Therapiebeginn, nach 2–4 Wochen und im Verlauf angepasst an eventuelle Auffälligkeiten in den Voruntersuchungen [2]. Bei dem hier vorgestellten Kleinkind mit Kerion Celsi wurden die Blutentnahmen insgesamt dreimal in der kinderärztlichen Praxis vorgenommen.
Schlussfolgerung
Die Diagnose eines Kerion Celsi verzögert sich fast immer. Differentialdiagnostisch wird an abszedierende bakterielle Infektionen gedacht und zuerst antibiotisch behandelt. Bei eitrig abszedierenden Kopfhautinfektionen, die nicht auf Antibiotika ansprechen, sollte jedoch an ein Kerion Celsi gedacht und sofort topisch und vor allem oral antimykotisch behandelt werden [5].
T. mentagrophytes Genotyp III* ist in Deutschland entsprechend der neuen Taxonomie der häufigste zoophile Dermatophyt innerhalb dieser Spezies. Typischerweise gelangt der Pilz von kleinen Nagetieren, jedoch auch über Katzen zum Menschen [6]. Das Mittel der Wahl zur Behandlung ist Terbinafin, bei Kindern immer im Off-Label-Use [3]. Behandelt wird über Monate bis zum negativen PCR-Befund und zur klinischen Heilung.