Systemische Therapien des Ulcus cruris
Redaktion
Prof. Dr. D. Nashan, Dortmund
Es existieren sehr viele verschiedene Ursachen, die für ein Ulcus cruris verantwortlich sein können.
Bei mindestens 80 % dieser Patienten liegen Erkrankungen des Gefäßsystems zugrunde.
Die Basis der erfolgreichen Therapie eines Ulcus cruris muss die Diagnostik der zugrundeliegenden Genese sowie der relevanten Kofaktoren und Komorbiditäten sein.
Unter dem Begriff Ulcus cruris venosum werden alle Substanzdefekte der Haut auf dem Boden einer venösen Hypertonie subsummiert.
Auch bei optimaler Therapie kommt es jedoch in circa 30 % der Patienten zu einer Therapieresistenz und ausbleibenden Abheilung der Ulzeration. In diesen Fällen kann über eine ergänzende Systemtherapie nachgedacht werden.
Alle Anwendungen der Systemtherapeutika sind beim Ulcus cruris venosum im Off-Label-Use.
Bei therapierefraktären Verläufen kann die systemische Gabe von Acetylsalicylsäure oder Pentoxifyllin überlegt werden.
Die PAVK ist eine häufige und wichtige Ursache und/oder Komorbidität bei Patienten mit Ulcus cruris.
Bei allen Patienten mit PAVK ist unabhängig von einem Ulcus cruris eine Sekundärprävention der Atherosklerose indiziert.
Bei einem Ulcus cruris arteriosum ist in der Regel eine Revaskularisation indiziert.
Für die medikamentöse Therapie der kritischen Extremitätenischämie stehen Prostaglandine und Prostazykline zu Verfügung.
Die Livedovaskulopathie ist eine chronisch rezidivierende Verschlusserkrankung der kutanen Mikrozirkulation.
Symptomtrias aus Livedo-racemosa-Zeichnung, schmerzhaften Ulzerationen und narbiger Abheilung unter dem Bild einer Atrophie blanche.
Eine Spindelbiopsie mit thrombotischem Verschluss von Hautkapillaren sichert die Diagnose.
Therapeutisch ist bisher kein Präparat explizit für die Behandlung der LV zugelassen.
Niedermolekulare Heparine und/oder Rivaroxaban sind die Medikamente der ersten Wahl.
Die Calciphylaxie ist eine seltene und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung.
Die systemische Gabe von Natriumthiosulfat gegebenenfalls in Kombination mit Cinacalcet ist eine vielversprechende Therapieoption.
Es zeigt sich eine hohe Assoziation zu terminaler Niereninsuffizienz, Dialysepflichtigkeit und Nierentransplantation.
Die Necrobiosis lipoidica ist eine seltene granulomatöse Erkrankung unklarer Ätiologie.
Bezüglich der Systemtherapien scheinen sich vor allem Fumarsäureester als Therapie der Wahl in der Praxis zu etablieren.
Insgesamt muss aktuell festgestellt werden, dass die vorhandene Studienlage nicht ausreicht, um eine klare Therapieempfehlung für die systemische Therapie bei Necrobiosis lipoidica abzugeben.
Als Vaskulitis bezeichnet man eine interdisziplinär relevante Gruppe von Krankheitsbildern, die zu Entzündungsprozessen in Gefäßwänden führen.
Verschiedenen Glukokortikoide sind für die Therapie von Vaskulitis zugelassen.
Cyclophosphamid hat eine Zulassung für systemische Vaskulitiden. Azathioprin ist zugelassen für die Polyarteriitis nodosa. Rituximab ist zugelassen für Patienten mit schwerer aktiver Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener) und mikroskopische Polyangiitis.
Das Pyoderma gangraenosum ist eine seltene, neutrophile Erkrankung unklarer Genese mit genetischer Prädisposition.
Für die systemische Therapie des Pyoderma gangraenosum sind ausschließlich Prednison und Prednisolon zugelassen.
In RCT untersuchte gute Therapieoptionen sind Ciclosporin und Infliximab.
Da viele der Medikamente für den Einsatz bei Ulcus cruris nicht zugelassen sind, resultiert ein Off-Label-Einsatz.
Probleme ergeben sich in den Fällen des zulassungsüberschreitenden Arzneimitteleinsatzes in Hinblick auf eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen.
In den letzten Jahren gibt es zunehmend wissenschaftlich belegte Hinweise darauf, dass es Medikamente gibt, die bei verschiedenen Indikationen potenziell die Wundheilung fördern.
Insbesondere bei Patienten mit Ulcus cruris aufgrund inflammatorischer Krankheitsbilder, sind es immunmodulierende und/oder rheologisch wirksame Medikamente, die erfolgreich eingesetzt werden können.
Zusammenfassung
Für eine erfolgreiche Behandlung von Patienten mit Ulcus cruris ist es essentiell, die zugrundeliegende Ätiologie zu klären und, wenn möglich, eine kausale Therapie einzuleiten. Begleitend ist die an den Phasen der Wundheilung orientierte Wundbehandlung, meist in Verbindung mit einer Kompressionstherapie, die Therapie der Wahl. Der Stellenwert der systemischen Therapien wird in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Genese sehr unterschiedlich und oft kontrovers beurteilt. In diesem Übersichtsartikel werden die aktuellen Aspekte der systemischen medikamentösen Therapien für Patienten mit Ulcus cruris bei den häufigen Genesen chronische venöse Insuffizienz, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Livedovaskulopathie, Vaskulitis, Necrobiosis lipoidica, Calciphylaxie und Pyoderma gangraenosum differenziert vorgestellt und kritisch diskutiert.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es sich bei vielen der hier vorgestellten Therapien um einen Off-Label-Use handelt. Bei den häufiger vorkommenden Wundarten wie beispielsweise Ulcus cruris venosum, mixtum und arteriosum sind Medikamente für die Therapie zwar hoffnungsvolle Optionen, bisher aber in der Regel kein Behandlungsstandard. Im Gegensatz hierzu haben systemische Therapien bei den anderen hier vorgestellten Krankheitsbildern eine meist zentral wichtige Bedeutung. Es sind in erster Linie immunmodulierende und rheologisch wirksame Medikamente, die eingesetzt werden, um die Wundheilung zu beschleunigen.
Interessenkonflikt
J. Dissemond: Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder Studien von 4M, Abbvie, Coloplast, Convatec, KCI, Lohmann&Rauscher, Medi, Mölnlycke, Juzo, SastoMed, Servier, Hartmann, Mölnlycke, Urgo. C. Erfurt-Berge: Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder Studien von Abbvie, BSN, Coloplast, Lohmann&Rauscher, Mölnlycke, Urgo. T. Goerge: Honorare für Vorträge und Studien von Bayer. K. Kröger: Honorare für Vorträge von Coloplast, Lohmann&Rauscher, Medi, Mölnlycke, Urgo. C. Funke-Lorenz: keine. S. Reich-Schupke: Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder Studien von Bayer, Sigvaris, Bauerfeind, Medi, Juzo, Ofa, Kreussler, MDI, eurocom, Servier, Hartmann, Ticeba, Mölnlycke, Phadimed.